Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlehensweise Übernahme von Stromschulden als Kosten der Unterkunft und Heizung durch den Grundsicherungsträger
Orientierungssatz
1. Nach § 20 Abs. 1 S. 1 SGB 2 umfasst der Regelbedarf grundsätzlich auch den Haushaltsstrom. Stromkosten kommen als Kosten der Unterkunft und Heizung i. S. von § 22 SGB 2 in Betracht, wenn es sich um Heizstrom handelt.
2. Eine darlehensweise Übernahme von Stromschulden als Kosten der Unterkunft und Heizung kommt nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 in Betracht, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist und der Bedarf angemessen ist.
3. Im Rahmen der Ermessensentscheidung des Grundsicherungsträgers nach § 22 Abs. 8 S. 1 SGB 2 sind alle Selbsthilfemöglichkeiten, insbesondere ein Anbieterwechsel auszuschöpfen. Eine Übernahme von Schulden kommt nur in Betracht, wenn diese geeignet ist, die Energieversorgung dauerhaft zu sichern.
4. Ein Anspruch auf Gewährung eines Darlehens über § 24 Abs. 1 SGB 2 ist ausgeschlossen, wenn es sich nicht lediglich um einen einmaligen Bedarf handelt. Nicht dauerhaft laufende Bedarfe werden von dieser Vorschrift nicht erfasst.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 2. März 2018 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung eines Darlehens in Höhe von insgesamt 1.836,91 € zur Begleichung von Stromschulden, die laut Stromrechnung der VES GmbH (im Folgenden: Stromversorger) vom 19. Dezember 2017 im Zeitraum von Dezember 2016 bis Dezember 2017 aufgelaufen sind.
Die 1991 geborene Antragstellerin ist bulgarische Staatsbürgerin und Mutter eines 2016 geborenen Kindes. Sie lebt mit Herrn T (im Folgenden: Lebenspartner), ebenfalls einem bulgarischen Staatsbürger, und dem Kind in einer gemeinsamen Wohnung. Seit dem 1. Juli 2016 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin vorläufige Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Ausweislich eines Mietvertrages bewohnen die Antragstellerin und ihr Lebenspartner seit August 2015 unter der im Rubrum angegebenen Anschrift eine 1,5- Zimmer- Wohnung mit einer Wohnfläche von 32 m², einer Nettokaltmiete von (damals) 330 €, Heizkostenvorauszahlungen in monatlicher Höhe von 45 € (für Fernwärme) sowie Betriebskosten von monatlich 25 € und damit einer Gesamtmiete von insgesamt monatlich 400 €.
Am 22. Januar 2018 beantragte die Antragstellerin die Gewährung eines Darlehens und später mit anwaltlichem Schreiben vom 29. Januar 2018 die Übernahme der Stromschulden nach § 22 Abs. 8 SGB II i.H.v. 1830,71 € und legte hierbei eine Rechnung Ihres Stromversorger vom 19. Dezember 2017 vor. Diese Rechnung ist an die Antragstellerin und ihren Lebenspartner adressiert. Aus dieser Rechnung ergibt sich für den Abrechnungszeitraum von Dezember 2016 bis Dezember 2017 ein durchschnittlicher Stromverbrauch von täglich 21,90 kWh und damit insgesamt Stromkosten i.H.v. 2423,71 € bei einem Gesamtstromverbrauch von 7928 kWh. Der durchschnittliche tägliche Stromverbrauch für den vorherigen Abrechnungszeitraum lag demgegenüber nach dieser Rechnung bei 7,85 kWh (3814 kWh in 486 Tagen). Abzüglich gezahlter Abschlagszahlungen von 816 € ergibt sich so ein offener Rechnungsbetrag i.H.v. 1607,71 € und eine monatliche Abschlagszahlung ab Januar 2018 i.H.v. 223 €.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2018 lehnte der Antragsgegner den Antrag mit der Begründung ab, unter Abwägung der Interessen an der beantragten Leistung sowie dem öffentlichen Interesse an wirtschaftlicher und sparsamer Mittelverwendung sei im Rahmen der Ermessensentscheidung der Antrag abzulehnen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin Widerspruch u.a. mit der Begründung vom 8. Februar 2018, der Stromversorger habe bereits angedroht, den Strom abzustellen, wenn der Betrag nicht umgehend gezahlt würde. Außerdem legte die Antragstellerin ein weiteres Schreiben des Stromversorgers vom 5. Februar 2018 vor, welches neben der offenen Forderung von 1607,71 € außerdem Mahnkosten in Gesamthöhe von 6,20 € und die im Februar 2018 fällige Abschlagszahlung über 223 €, mithin einen Gesamtbetrag i.H.v. 1836,91 €, enthielt.
Am 12. Februar 2018 hat die Antragstellerin schließlich bei dem Sozialgericht Berlin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin ein Darlehen in Höhe von1836,91 € zu bewilligen und auszuzahlen.
Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 2. März 2018 den Antrag abgelehnt und im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt, es sei ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach § 20 Absatz 1 S. 1 SGB II umfasse der Regelbedarf grundsätzlich auch den Haushaltsstrom. Nach § 22 Abs. 8 SGB II könne auch...