Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. hinreichende Erfolgsaussicht. Unterkunftskosten. Teilbarkeit des Streitgegenstandes. Angemessenheit der Unterkunftskosten. Produkttheorie. Sechsmonatsfrist. Fristbeginn. Scheingeschäft. Schuldverpflichtungen unter nahen Angehörigen. Fremdvergleich
Orientierungssatz
1. Hinreichende Erfolgsaussicht zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe besteht auch dann, wenn sie nur einen Teil des geltend gemachten Anspruchs erfasst.
2. Liegt den nach § 22 SGB 2 geltend gemachten Leistungen für Unterkunft und Heizung eine mietvertragliche Abrede des Anspruchstellers mit seinen Eltern zugrunde, so ist zu deren Wirksamkeit der Ausschluss eines Scheingeschäfts und die Prüfung erforderlich, ob die getroffene Abrede einem sog. Fremdvergleich standhält.
3. Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten wird durch das Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnfläche und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter bestimmt.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 14. November 2006 aufgehoben.
Dem Kläger wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Cottbus Prozesskostenhilfe bewilligt und seine Prozessbevollmächtigte beigeordnet. Monatsraten oder Beiträge aus dem Vermögen sind nicht zu zahlen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Dem Kläger ist Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten zu gewähren, da er nach seinen - hier mit Blick auf § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 127 Abs. 1 Satz 3 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht näher darzulegenden - persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung auch nur teilweise oder in Raten aufzubringen (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114, 115 ZPO).
Gegenstand (i.S. von § 95 SGG) der vom Kläger erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage, mit der er ausschließlich die Gewährung höherer Unterkunftskosten (§ 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB II≫; zur Teilbarkeit des Streitgegenstandes insoweit Bundessozialgericht ≪BSG≫ Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 8/06 R) für die Zeit vom 01. August 2005 bis zum 31. März 2006 begehrt, sind die diesen Leistungszeitraum umfassenden zwei Bescheide vom 14. März 2006, die die vorangegangen Bescheide vom 19. August 2005 und 02. November 2005, die er ursprünglich mit getrennt eingelegten Widersprüchen bekämpft hatte, ausdrücklich aufgehoben und somit ersetzt haben (iS von § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch), in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2006. Die Bescheide vom 14. März 2006 sind - ohne ausdrücklich mit dem Widerspruch angefochten worden zu sein - nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist. Denn die zuletzt genannte Norm erfasst Verwaltungsakte, die einen Verwaltungsakt, der bereits durch Widerspruch angefochten war, ändern.
Der Klage kann auch eine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO) nicht abgesprochen werden. Hinreichend ist die Erfolgsaussicht bereits dann, wenn sie nur für einen Teil des geltend gemachten Anspruchs besteht (Knittel in Hennig u.a., SGG, RdNr 13 zu § 73a). Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg ist gegeben, wenn bei summarischer Prüfung des Sach- und Streitstandes eine “reale Chance zum Obsiegen„ besteht, während sie bei einer “nur entfernten Erfolgschance„ abzulehnen ist.
Entgegen der Auffassung des SG rechtfertigt danach der bisherige Sachstand die Ablehnung der Prozesskostenhilfe nicht.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.
Das SG wird zunächst zu klären haben, ob zwischen dem Kläger und seinen Eltern für den streitigen Zeitraum eine wirksame mietvertragliche Abrede besteht und welchen Inhalt diese Abrede bzgl. der wechselseitigen Hauptpflichten (Überlassen einer bestimmte Mietsache zur Nutzung/ Höhe der zu entrichtenden Miete) hat und ob es sich bei der ggf. bestehenden Abrede um ein so genanntes Scheingeschäft i.S. des § 117 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch handelt. Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten lassen wollen (vgl. Bundesgerichtshof NJW 1980, 1572).
Soweit eine mietvertragliche Abrede mit einem bestimmten (ggf. gegenüber den schriftlichen Vereinbarungen modifizierten) Inhalt festgestellt werden kann, wird zu überprüfen sein, ob diese Abrede einem so genannten Fremdvergleich standhält. Denn dem SG dürfte darin zuzustimmen sein, dass die vom Bundesfinanzhof (BFH) entwickelten Prüfkriterien bei Schuldverpflichtungen unter nahen Angehörigen auch auf das SGB II übertragbar sind (so bereits für das Recht der Arbeitslosenhilfe u.a. BSG Urteil vom 25. April 2006 - B 11a AL 7/05 R). Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind Verträge zwis...