Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Beschwerde über Nichtzulassung der Berufung. Verfahrensmangel. Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters. unterbliebene Vorlage an den EuGH durch letztinstanzliches Gericht. Nichtzulassungsbeschwerde als Rechtsmittel iS des Art 267 Abs 3 AEUV
Leitsatz (amtlich)
Ein Verfahrensfehler wegen Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters aus Art 101 Abs 1 S 2 GG kann gegeben sein, wenn ein mangels Rechtsmitteln letztinstanzlich entscheidendes Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art 267 Abs 3 AEUV nicht nachkommt. Zu den Rechtsmitteln in diesem Sinne zählt auch die Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BVerfG vom 14.1.2021 - 1 BvR 2853/19 = NJW 2021, 1005; BSG vom 8.4.2020 - B 13 R 125/19 B = juris).
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu erstatten.
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde wird abgelehnt.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist nicht begründet und war daher zurückzuweisen.
Das Rechtsmittel der Berufung ist vorliegend gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes den Mindestbeschwerdewert von 750,01 Euro nicht erreicht. Der Kläger, der seinen Wohnsitz im Vereinigten Königreich hat und beim N H S krankenversichert ist, begehrt die Verurteilung der beklagten Krankenkasse zur Erstattung von Kosten für im Juni 2018 in der Bundesrepublik Deutschland erbrachte und vom Kläger beglichene zahnärztliche Leistungen (ausweislich der Rechnung der Drs. K vom 19. Juni 2018 über insgesamt 445,29 € wegen Versorgung eines Zahnes durch Vollkrone und Provisorium) in Höhe der deutschen Kassensätze und ab dem 20. Dezember 2018 Verzugszinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sowie einer Pauschale von 40 €.
Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen. Die in den Nummern 1 bis 3 dieser Vorschrift normierten Zulassungsvoraussetzungen liegen nicht vor.
Der Rechtssache kommt zunächst keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Sie wirft eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, nicht auf. Ein Individualinteresse genügt insofern nicht. Aus dem Gegenstand und Inhalt des angefochtenen Urteils lässt sich ein grundsätzlicher Klärungsbedarf hinsichtlich einer Rechtsfrage nicht ableiten. Auch aus der Beschwerdebegründung des Klägers, der die angefochtene Entscheidung im Kern für rechtsfehlerhaft hält, weil er - anders als vom Sozialgericht entschieden - einen Anspruch auf die Sachleistung einer zahnärztlichen und medizinisch notwendigen Behandlung gehabt und nachfolgend auf Kostenerstattung habe, ergibt sich die Grundsätzlichkeit einer Rechtsfrage nicht. Eine solche nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantwortende Rechtsfrage, deren Klärung im allgemeinen Interesse läge, ist hieraus nicht erkennbar (vgl. BSG, Beschluss vom 8. April 2020 - B 13 R 125/19 B - juris Rn. 6 m.w.N). Eine Grundsätzlichkeit folgt auch nicht daraus, dass die Rechtsauffassung des Sozialgerichts, es liege vorliegend kein Verstoß gegen die Dienstleistungspflicht aus Art. 56 und 57 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV [ex-Artikel 234 EGV]) vor, bisher nach den Darlegungen des Klägers nicht auf höchstrichterliche Rechtsprechung gestützt werden könne. Gemäß Art. 56 Abs. 1 AEUV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen verboten. Art. 57 AEUV regelt, dass Dienstleistungen insbesondere und u.a. freiberufliche Tätigkeiten sind. Unbeschadet des Kapitels über die Niederlassungsfreiheit kann der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeit vorübergehend in dem Mitgliedstaat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Mitgliedstaat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt. Dass der vorliegende Rechtsstreit insofern eine zulassungsrelevante Rechtsfrage aufwerfen könnte, ist nicht ersichtlich und in der Form, wie die Rechtsfrage vom Kläger mit seiner Beschwerde dargestellt worden ist, mangels Entscheidungserheblichkeit auch nicht klärungsfähig. Soweit er meint, aus den vorzitierten europarechtlichen Vorschriften folge sein Anspruch auf Zugang zur Gesundheitsversorgung in einem anderen Mitgliedsstaat ebenfalls, und zwar unter abweichenden Kostenübernahme- und Kostenerstattungsbedingungen als vom Sozialgericht erwogen, rügt er hiermit die inhaltliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung, ohne dass insofern ein allgemeines Int...