Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes. Keine Androhung ersatzweiser Ordnungshaft bei Nichterscheinen eines Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war
Orientierungssatz
1. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen Verfahrensbeteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war, jedoch zum Termin nicht erschienen ist, muss sich am Zweck der Vorschrift des § 141 ZPO orientieren. Dieser besteht darin, das gerichtliche Verfahren zu fördern und in diesem Zusammenhang das Wissen der Partei um den Sachverhalt fruchtbar zu machen.
2. Daraus folgt, dass vor Verhängung eines Ordnungsgeldes abzuwägen ist, ob das Nichterscheinen der Partei zu einem i. S. des Förderungszweckes ungünstigen Verlauf des Verfahrens geführt, das Verfahren behindert oder verzögert und insbesondere eine Entscheidung im Termin verhindert hat. Lässt der ergangene Ordnungsgeldbeschluss keine sachliche Auseinandersetzung mit dem die Ermessensausübung leitendenden Gesetzeszweck erkennen, ist er aufzuheben.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juni 2008 aufgehoben.
Die Staatskasse hat der Klägerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Auferlegung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 250,- €, ersatzweise - für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann - eines Tages Ordnungshaft je 50,- €.
In der Hauptsache, einem seit Oktober 2007 anhängigen Klageverfahren gegen das Jobcenter Lichtenberg, ist die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig. Zu einem für den 10. Juni 2008 anberaumten Erörterungstermin wurde die Klägerin mit Postzustellungsurkunde geladen; die Zustellung erfolgte am 16. Mai 2008 durch Übergabe an den erwachsenen ständigen Mitbewohner und inzwischen Prozessbevollmächtigten der Klägerin, V Z. Ihre damaligen Prozessbevollmächtigten, die sich mit Schriftsatz vom 8. Februar 2008 gemeldet hatten, übersandten am 9. Juni 2008 auf entsprechende Aufforderung des Gerichts hin per Fax die vom 7. Februar 2008 datierende Vollmacht. Zum Termin erschien die Klägerin, deren persönliches Erscheinen angeordnet worden war, nicht. Seitens ihrer Prozessbevollmächtigten erschien Rechtsanwalt W. Ausweislich der Niederschrift erörterte der Vorsitzende den Sachverhalt mit den Beteiligten, verkündete sodann den angegriffenen Beschluss und vertagte den Rechtsstreit. Zur Begründung des Beschlusses heißt es, die ordnungsgemäß geladene Klägerin sei zum Termin nicht erschienen und habe ihr Ausbleiben nicht entschuldigt. Einen Vertreter im Sinne des § 141 Abs. 3 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) habe sie zum Termin nicht entsendet, so dass die Folgen nach den Vorschriften des § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 141 Abs. 3 Satz 1 und 2, § 380 Abs. 1 ZPO auszusprechen gewesen seien.
Gegen den ihr in der Folgezeit zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 18. Juni 2008 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, sie habe mit Schriftsatz vom 6. Juni 2008, den V Z in den Haus- und Nachtbriefkasten des Sozialgerichts Berlin geworfen habe, gebeten, sie vom persönlichen Erscheinen zu entbinden, weil sie eine neue Arbeitsstelle gefunden habe, noch in der Probezeit sei und das Arbeitsverhältnis nicht gefährden wolle. In dem Schreiben habe sie darauf hingewiesen, dass sie zu dem Termin einen Rechtsanwalt entsenden werde, der ordnungsgemäß bevollmächtigt und zur Sachverhaltsaufklärung in der Lage sei. Eine Ablichtung dieses Schreibens, das im Original nicht vorliegt, hat die Klägerin zu den Akten gereicht. Sie meint, die Verhängung eines Ordnungsgeldes und erst recht die Androhung einer Ordnungshaft überschreite die Grenzen der Verhältnismäßigkeit erheblich.
Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, sowohl die Festsetzung des Ordnungsgeldes als auch die Androhung der Ordnungshaft seien zu Recht erfolgt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zu diesem Verfahren und zu dem beim Sozialgericht Berlin anhängigen Hauptsacheverfahren S 99 AS 26923/07 verwiesen, der Gegenstand von Beratung und Entscheidung gewesen ist.
II.
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss, mit welchem das Sozialgericht gegen sie ein Ordnungsgeld festgesetzt und ihr ersatzweise Ordnungshaft angedroht hat, ist erfolgreich.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.
Sie ist auch begründet, denn das erstinstanzliche Gericht hätte kein Ordnungsgeld festsetzen und erst recht keine Ordnungshaft androhen dürfen.
Bleibt ein Beteiligter, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, im Termin aus, so kann gegen ihn Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden (§ 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO, der über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet). Während es allerdings in §...