Entscheidungsstichwort (Thema)

Künstlersozialversicherung. Krankenversicherung. Versicherungspflicht. Versicherungsfreiheit. Multimedia-Künstler. erstmalige Aufnahme der selbständigen künstlerischen Tätigkeit im Ausland. Fristbeginn nach § 3 Abs 2 S 1 KSVG. Rechtsmitteleinlegung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frist des § 3 Abs 2 S 1 KSVG beginnt mit der erstmaligen Aufnahme der künstlerischen Tätigkeit, auch wenn diese im Ausland ausgeübt wird.

 

Orientierungssatz

Die Rechtsmitteleinlegung stellt keine Disposition über den Streitgegenstand dar (vgl LSG Stuttgart vom 9.12.2009 - L 5 KA 2164/08 juris RdNr 70 mit Bezugnahme auf BVerwG vom 30.5.1984 - 4 C 58/81 = BVerwGE 69, 256). Durch die Einlegung von Rechtsmitteln kann der einfach Beigeladene dem Prozess damit eine vom Willen der Hauptbeteiligten abweichende Richtung geben (vgl LSG Stuttgart vom 9.12.2009 - L 5 KA 2164/08 aaO mit Bezugnahme auf BSG vom 27.11.1962 - 3 RK 37/60 = SozR Nr 9 zu § 160 SGG = BSGE 18, 131).

 

Tenor

Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene hat die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens zu tragen

Der Streitwert dieses Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin, ihm vorläufig Krankenversicherungsschutz zu gewähren.

Er ist 1978 geboren und lettischer Staatsangehöriger. Das lettische Gesundheitswesen finanziert sich aus Steuern und Zuzahlungen. Begünstigter ist ein Bewohner Lettlands, der bei einem Hausarzt eingeschrieben ist. Dies war beim Antragsteller der Fall. Er war und ist -nach seinen Angaben- seit dem Jahr 2006 als Multimedia-Künstler selbstständig tätig. Seit November 2009 lebt er in Deutschland.

Mit einem Formular teilte er der Antragsgegnerin (erstmals) am 9. September 2011 mit, ab 6. September 2011 deren Mitglied werden zu wollen. Das JobCenter Berlin Friedrichshain-Kreuzberg bewilligt ihm seit September 2011 fortlaufend Arbeitslosengeld II.

Die Antragsgegnerin teilte ihm mit Schreiben vom 9. November 2011 mit, eine Mitgliedschaft als Bezieher von Arbeitslosengeld II bestehe nicht, da er vor dem Bezug weder gesetzlich noch privat krankenversichert gewesen sei und hauptberuflich selbstständig tätig sei. Die privaten Krankenversicherungen müssten ihm einen Basistarif anbieten.

Die Beigeladene, ein privater Krankenversicherungsverein a. G., hat den Abschluss eines Vertrages bereits mit Schreiben vom 13. September 2013 abgelehnt.

Das Sozialgericht Berlin (SG) hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 26. November 2013 mit Beschluss vom 7. Januar 2014 zurückgewiesen. Es fehle jedenfalls an einem Anordnungsanspruch, weil eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a, 4 oder 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ausscheide. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe sei mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg unbegründet.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen vom 10. Februar 2014: Der Antragsteller sei nach der Übersiedelung nach Deutschland zunächst jedenfalls als Künstler nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 SGB V versicherungspflichtig gewesen. Das SG sei zu Unrecht von Versicherungsfreiheit nach § 3 Abs. 1 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) ausgegangen, obwohl der Antragsteller hier zu keiner Zeit mehr als 3900 € jährlich verdient habe. Für die ersten drei Jahre nach Aufnahme der Tätigkeit sei nach § 3 Abs. 2 KSVG der § 3 Abs. 1 KSVG nämlich ausgeschlossen. Die Dreijahresfrist beginne erst mit dem Aufenthalt in Deutschland.

II.

Die vom Antragsteller gegen die im genannten Beschluss des SG enthaltene Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhobene Beschwerde (Az. L 1 KR 25/14 BPKH) ist nicht Gegenstand dieses Beschlusses.

Die Beschwerde der Beigeladenen ist zulässig. Sie kann sich darauf berufen, dass der angefochtene Beschluss sie beschwert, indem sie möglicherweise in ihrem Recht jedenfalls aus Art. 19 Abs. 3, 2 Abs. 1 Grundgesetz verletzt wird, entgegen ihrem Willen aufgrund § 193 Abs. 5 Nr. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) mit dem Antragsteller einen Krankversicherungsvertrag abschließen zu müssen.

Nach allgemeiner Auffassung entfalten auch Beschlüsse Bindungswirkung nach § 141 Abs. 1 Sozialgerichtgesetz (SGG), auch solche in Eilverfahren (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. A. 2012, § 141 Rdnr. 5 mit Rechtsprechungsnachweisen). Gebunden sind nicht nur die Hauptbeteiligten, sondern alle Beteiligten (§ 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

§ 75 Abs. 4 SGG schränkt das Beschwerderecht nicht ein. Dabei kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Beiladung hier vom SG zutreffend (unter Bezugnahme auf den Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 21.05.2010 -L 9 KR 33/10 BER) als notwendige nach § 75 Abs. 2 SGG angesehen wurde. Hiergegen spricht, dass einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren keine endgültig verbindliche Bindungswirkung zukommen kann.

Zwar kann ein einfach Beigeladener nach § 75 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 2 SGG keine von den Hauptbeteilig...

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