Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistung. Förderung der beruflichen Weiterbildung. Bildungsgutschein. Ermessensausübung
Orientierungssatz
Zur Erteilung eines Bildungsgutscheines nach § 16 Abs 1 S 1 SGB 2 iVm § 77 Abs 3 SGB 3 zur Teilnahme an einer überbetrieblichen Ausbildung zum Kaufmann für audiovisuelle Medien.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Juni 2005 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller einen Bildungsgutschein für eine zweijährige überbetriebliche Ausbildung zum Kaufmann für audiovisuelle Medien zu erteilen, der insbesondere dem Antragsteller ermöglicht, an der am 13. Juni 2005 begonnenen Maßnahme beim F. Berufsbildung e. V. in Berlin teilzunehmen.
Dem Antragsteller wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. B. bewilligt. Im Übrigen wird der Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat die dem Antragsteller entstandenen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Der Antragsteller (Ast) begehrt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren von der Antragsgegnerin (Ageg) die Förderung einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung zum Kaufmann für audiovisuelle Medien nach § 16 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) i.V.m. §§ 77 ff des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB III).
Der 1973 geborene Ast ist allein stehend und Vater zweier nicht in seinem Haushalt lebender Kinder. Er verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Über den “zweiten Bildungsweg" erlangte er zunächst die mittlere Reife und im Frühjahr 2002 die allgemeine Hochschulreife. Wegen der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe untersteht er seit 1999 der Bewährungshilfe. Sein im Jahre 2002 begonnenes Studium im Fach Verkehrswesen an der Technischen Universität B brach er im August 2004 endgültig ab und bezog anschließend Sozialhilfe. Bereits seit Ende 2003 bewarb sich der Ast erfolglos um betriebliche Ausbildungsplätze im kaufmännischen Bereich. Seit Januar 2005 erhält er laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II - ALG II).
Am 04. Februar 2005 beantragte der Ast nach bestandener Eignungsprüfung die Förderung der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme für Nichtleistungsempfänger (Bildungsgutschein) für eine am 28. Februar 2005 beim F. Berufsbildung e.V. beginnende zweijährige Maßnahme zum “Kaufmann für audiovisuelle Medien". Mit Bescheid vom 23. Februar 2005 lehnte die Ageg die Förderung der beantragten Weiterbildung einschließlich der Ausgabe eines Bildungsgutscheines mit der Begründung ab, das angestrebte Bildungsziel “Kaufmann für audiovisuelle Medien" lasse eine dauerhafte berufliche Eingliederung nicht erwarten, da es nicht in die Berliner Bildungszielplanung 2005 aufgenommen worden und bundesweit eine bedeutende Arbeitskräftenachfrage nicht zu verzeichnen sei. Dem lag eine interne Stellungnahme vom 23. Februar 2005 zugrunde. Darin heißt es, für die Berufskennziffer (BKZ) 7034 seien bundesweit nur 10 Stellenangebote gemeldet, darunter keine Angebote für diesen Beruf. Überwiegend handele es sich um Stellen für Medienberater, Medienplaner, Mediengestalter und Webautoren. Bundesweit seien dagegen 342 Arbeitslose/Arbeitsuchende registriert, darunter 290 Arbeitslose. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Ageg durch Widerspruchsbescheid vom 07. Juni 2005 mit der Begründung zurück, 270 arbeitslos gemeldeten Bewerbern in dem gesamten Berufszweig stünden nur 13 Angebote für versicherungspflichtige Arbeitsstellen - eingeschlossen Medienberater, Medienplaner, Mediengestalter - gegenüber. Die angestrebte Qualifizierung erscheine nicht geeignet, eine zeitnahe und qualifikationsgerechte Integration zu erreichen. Im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II solle mit der zuständigen Arbeitsvermittlung geklärt werden, welche alternativen Fördermöglichkeiten bestünden. Im Übrigen dokumentiere die Bildungszielplanung, welches Weiterbildungsangebot aus arbeitsmarktlicher Sicht, insbesondere auch regional, erforderlich sei. Zwischenzeitlich hatte der Ast, da der ursprünglich für den 28. Februar 2005 geplante Beginn der Maßnahme auf den 13. Juni 2005 verschoben worden war, erneut einen Antrag auf Erteilung eines Bildungsgutscheins für die Maßnahme beantragt, was die Ageg mit Bescheid vom 30. Mai 2005 aus den zuvor genannten Gründen ebenfalls abgelehnt hatte.
Am 07. Juni 2005 hat sich der Ast mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das Sozialgericht (SG) Berlin gewandt und begehrt, die Ageg zu verpflichten, seine berufliche Weiterbildung zum Kaufmann für audiovisuelle Medien nach §§ 77 ff SGB III zu fördern. Ferner hat er beantragt, ihm für das Verfahren vor dem SG Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines damaligen Prozessbevollmächtigten zu gewähren. Eine berufliche Ausbil...