Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen. dreijährige Umschulung zur Ergotherapeutin. Abgrenzung der Berufsausbildung von der beruflichen Weiterbildung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Förderungsfähigkeit einer mit dem Ziel eines Abschlusses als staatlich anerkannte Ergotherapeutin besuchten dreijährigen Bildungsmaßnahme bestimmt sich nach der Zuordnung der Maßnahme als Ausbildungsmaßnahme oder Maßnahme der beruflichen Weiterbildung; diese ist unter Berücksichtigung des Charakters der Maßnahme nach objektiven Kriterien vorzunehmen (vgl BSG vom 17.11.2005 - B 11a AL 23/05 R = EzB-VjA SGB III §§ 97ff Nr 1 und 27.1.2005 - B 7a/7 AL 20/04 R = SozR 4-4300 § 77 Nr 2).

 

Orientierungssatz

1. Wie sich aus der in § 85 Abs 2 S 2 SGB 3 gegenüber einer Ausbildungsmaßnahme verkürzten Dauer der Weiterbildungsmaßnahme ergibt, müssen die Inhalte und ihre Vermittlung bei einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung anders gestaltet sein als bei einer üblichen Erstausbildung. Hier müssen die Angebote also den Charakter einer Weiterbildung wahren und an berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten anknüpfen, die aus einer vorangegangenen Ausbildung oder sonstigen beruflichen Tätigkeit resultieren.

2. Zur Zuordnung der entsprechend den Vorgaben nach BeArbThG iVm ErgThAPrV gestalteten und an einer staatlich anerkannten Schule für Ergotherapeuten angebotenen Maßnahme zum Bereich der Berufsausbildung iS der §§ 59ff SGB 3 und zur fehlenden Förderungsfähigkeit nach § 60 Abs 1 SGB 3, wenn es sich nicht um eine betriebliche oder außerbetriebliche Ausbildung, sondern um eine nach BaföG förderungsfähige schulische Ausbildung an einer Berufsfachschule handelt.

3. Zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Förderung der Maßnahme nach § 16 Abs 1 SGB 2 iVm §§ 97ff, 101, 102 SGB 3.

4. Auch wenn die Maßnahme als berufliche Weiterbildung iS der §§ 77ff SGB 3 angesehen werden könnte, stünde der Förderung die Regelung des § 85 Abs 2 S 2 SGB 3 entgegen. Zum einen bestehen Zweifel, ob von einem gesetzlichen Ausschluss der Verkürzung der Ausbildungszeit im Hinblick auf die Verkürzungsregelung des § 4 Abs 4 BeArbThG ausgegangen werden kann. Zum anderen bestehen generell erhebliche Bedenken, eine Sicherung der Finanzierung über die gesamte Dauer der Ausbildung iS des § 85 Abs 2 S 3 SGB 3 (hier insbesondere für das 3. Jahr) allein auf Grund der Erklärung von Privatpersonen anzunehmen. Ausgehend von dem Regelungszweck des § 85 Abs 2 S 3 SGB 3 ist die Gewährleistung der Finanzierung der gesamten Maßnahme auch auf den Lebensunterhalt zu beziehen, er muss ebenso wie die Maßnahmekosten gedeckt sein, um die Ausbildung abschließen zu können.

5. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG und Art 13 Abs 1 GG bestehen nicht.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juli 2006 aufgehoben. Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die der Antragstellerin entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zur Hälfte zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die ... geborene Antragstellerin (Ast) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin (Ageg) zur Übernahme der Lehrgangs- und Fahrtkosten für die am 01. April 2006 begonnene Ausbildung zur Ergotherapeutin an der A der G B/BeV C B (im Folgenden: Gesundheits-Akademie) für die Dauer von 24 Monaten als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Die Ast. nahm nach Ablegung des Abiturs zunächst das Studium der Erziehungswissenschaften auf, welches sie nicht abschloss. Nach Ausübung verschiedene Tätigkeiten absolvierte sie (von der Agg. wohl gefördert) zunächst einen CAD-Grundausbildungslehrgang mit Zertifikat und anschließend von Dezember 1993 bis September 1995 eine Umschulung zur Tischlerin mit Abschlussprüfung bei der IHK Berlin. Von 1996 bis ca. Februar 2003 war sie als Tischlerin versicherungspflichtig beschäftigt, danach arbeitsuchend bei Bezug von Arbeitslosengeld bzw. -hilfe. In dieser Zeit war sie von Oktober 2003 bis Oktober 2004 als Mitarbeiterin auf “FKZ-Basis„ bei I eV in B tätig (Redaktionsarbeit im Rahmen einer Stadtteilzeitung, Organisation des K-C). Seit Januar 2005 bezieht die Ast Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), und zwar Arbeitslosengeld II (Alg II) gemäß Bescheid des JobCenters Neukölln vom 16. März 2006 (iHv von 593,69 Euro monatlich für die Zeit vom 01. April 2006 bis zum 30. September 2006) bzw. vom 11. Oktober 2006 (iHv 610,37 EUR monatlich für die Zeit vom 01. Oktober 2006 bis zum 31. März 2007).

Im Rahmen einer arbeitsamtsärztlichen Begutachtung (Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. J vom 10. Februar 2005) wurden bei ihr Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit festgestellt: Die Ast wurde als vollschichtig leistungsfähig nur noch für ständig leichte bis zeitweise mittelschwere Arbeiten,...

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