Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Kosten der Unterkunft. Produkttheorie. Erhöhung des Richtwertes für Alleinerziehende. Berlin. AV-Wohnen

 

Orientierungssatz

1. Für die Feststellung der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard, welches sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, abzustellen (Produkttheorie) (Vergleiche BSG, Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 10/06 R).

2. Das Leitbild einer angemessenen Versorgung mit Wohnraum ist den landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus zu entnehmen (Vergleiche BSG, aaO).

3. Der in den von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin am 7.6.2005 erlassenen Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II (AV-Wohnen) vorgesehene Erhöhungsbetrag wegen Alleinerziehung ist auch für Kinder über 10 Jahren zu gewähren.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2008 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellerinnen für die Zeit vom 5. Dezember 2007 bis zum 31. März 2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 488,- Euro monatlich zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat den Antragstellerinnen die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Zu Unrecht hat das Sozialgericht gänzlich abgelehnt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellerinnen höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt vorliegend für Leistungszeiträume vom 5. Dezember 2007 (Tag des Eingangs des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Sozialgericht) bis zum 31. März 2008 (Ende des Bewilligungszeitraumes nach dem Bescheid des Antragsgegners vom 6. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2007 und des Änderungsbescheides vom 18. März 2008) in Betracht. Für diesen Zeitraum sind Anordnungsanspruch und -grund teilweise gegeben.

Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerinnen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung haben, als sie ihnen der Antragsgegner gewährt hat. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs, Zweites Buch - SGB II - werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Das Leitbild einer angemessenen Versorgung mit Wohnraum ist den landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus zu entnehmen (Bundessozialgericht - BSG - , Urteil v. 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R -). Maßgeblich im Land Berlin sind demnach die Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 - WFB 1990 - vom 16. Juli 1990 (Amtsblatt für Berlin 1990, 1379ff) in der Fassung der Verwaltungsvorschriften zur Änderung der WFB 1990 - VVÄndWFB 1990 - vom 13. Dezember 1992 (Amtsblatt für Berlin 1993, 98f) sowie die Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 zur Umsetzung von § 5 Wohnungsbindungsgesetz iVm § 17 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (Mitteilung Nr. 8/2004). Nach diesen Vorschriften ist zu beurteilen, ob eine Wohnung im Bereich des Angemessenen liegt (Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg v. 25. Juni 2007 - L 10 B 854/07 AS ER -; Beschluss des erkennenden Senats vom 12. Juli 2007 - L 14 B 571/07 AS ER -). Nach ihrer Größe ist die von den Antragstellerinnen innegehabte Wohnung (2 Zimmer, 58 m²) nicht unangemessen. Die Wohnung bietet zunächst entsprechend Nr. 8 Abs. 1 der Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 für jede dem Haushalt angehörende Person einen Raum. Die Gesamtgröße der Wohnung überschreitet auch nicht die für zwei Personen geltende Wohnflächenobergrenze von 60 m² (vgl. zu dieser Abschnitt II Ziff. 1 Buchstabe a der Anlage 1 der WFB 1990 idF der VVÄndWFB 1990).

Für die Angemessenheit einer Wohnung kommt es aber nicht nur auf deren Größe an. Nach der Rechtsprechung des BSG ist letztlich das Produkt zwischen Wohnfläche und dem einem angemessenen Ausstattungsstandard entsprechenden Quadratmeterpreis entscheidend (BSG, Urt. v. 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R -). Insoweit ist nicht zu übersehen, dass der Preis der von den Antragstellern innegehabten Wohnung mit 5,45 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter (316,35 Euro insgesamt) im oberen Bereich der sich aus dem Berliner Mietspiegel ergebenden Werte liegt und nur im Hinblick auf die Einordnung des Hauses als Neubau (Bezugsfertigkeit 1974) als übl...

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