Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostentragungspflicht nach Erledigung einer Untätigkeitsklage. Abwarten des Eilrechtsschutzverfahrens als zureichender Grund für Untätigkeit im Widerspruchsverfahren. Kostenentscheidung bei Untätigkeitsklage. Abwarten auf Ausgang des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens. Übereinstimmende Erledigungserklärungen. Sperrfrist. Zureichender Grund für Nichtbescheidung. Besondere Belastung der Behörde. Besondere Schwierigkeiten des Sachverhalts
Leitsatz (redaktionell)
1. Einem Leistungsträger steht grundsätzlich kein zureichender Grund i.S.v. § 88 SGG zur Seite, weil er mit der Erteilung eines Widerspruchsbescheids wartet, bis ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes abgeschlossen ist. Vielmehr ist ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren unabhängig von dem Anspruch eines Klägers auf Erteilung eines Widerspruchsbescheids.
2. Ausnahmsweise kann das Abwarten des Ausgangs eines anhängigen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens jedoch einen zureichenden Grund i.S.v. § 88 SGG darstellen, wenn die Behörde aufgrund des Verfahrensablaufs annehmen kann, dass der Widerspruchsführer / Kläger vor Durchführung des Widerspruchsverfahrens zunächst den Ausgang des gerichtlichen Eilverfahrens abwarten wolle.
Orientierungssatz
Das Abwarten eines während des Widerspruchsverfahrens in dieser Angelegenheit vom Widerspruchsführer anhängig gemachten Eilrechtsschutzverfahrens ist grundsätzlich kein zureichender Grund für die Untätigkeit der Widerspruchsbehörde. Es sei denn, die Widerspruchbehörde durfte aufgrund des Verfahrensablaufs annehmen, dass der Widerspruchsführer vor Durchführung des Widerspruchsverfahrens zunächst den Ausgang des gerichtlichen Eilverfahrens abwarten wolle.
Normenkette
SGG § 193 Abs. 1 S. 3, §§ 88, 86b Abs. 2 S. 2, §§ 172-173, 202; ZPO § 91a Abs. 1 S. 1
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Mit der Beschwerde wendet sich der Beklagte gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin, wonach er der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Klageverfahren zu erstatten habe.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht hatte die Klägerin im Wege einer am 19. April 2007 erhobenen Untätigkeitsklage die Verurteilung des Beklagten zur Entscheidung über ihren am 12. Januar 2007 - unter Fristsetzung bis zum 20. Januar 2007 - gegen den Bescheid vom 19. Dezember 2006 eingelegten Widerspruch begehrt. Mit dem Bescheid vom 19. Dezember 2006 war der Antrag der Klägerin vom 20. November 2006 auf Bewilligung einer Haushaltshilfe abgelehnt worden.
Mit Schreiben vom 17. Januar 2007 teilte der Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass mit einer kurzfristigen Entscheidung über den Widerspruch nicht zu rechnen sei und der Vorgang der Widerspruchsstelle übergeben werde.
Am 1. Februar 2007 stellte die Klägerin beim SG Berlin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, der unter dem Aktenzeichen S 51 SO 348/07 ER geführt und mit Beschluss vom 16. März 2007 abgelehnt wurde. Das Beschwerdeverfahren, das mit Schriftsatz vom selben Tag wie die Untätigkeitsklage eingeleitet wurde, war seit dem 25. April 2007 unter dem Aktenzeichen L 23 B 78/07 SO ER anhängig. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens stellte der Beklagte die Klägerin teilweise klaglos und erließ einen Bewilligungsbescheid vom 13. Juli 2007, mit dem dem Widerspruch der Klägerin teilweise abgeholfen wurde (Schreiben des Beklagten vom 11. Juli 2007), die Prozessbevollmächtigte der Klägerin nahm das Teilanerkenntnis an und den Antrag im Übrigen zurück.
Das auf die Widerspruchsbescheidung gerichtete Klageverfahren vor dem Sozialgericht wurde übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragte sinngemäß, dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Mit Beschluss vom 23. Januar 2008 hat das Sozialgericht dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt.
Gegen den am 30. Januar 2008 zugestellten Beschluss hat der Beklagte am 5. Februar 2008 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, dass mit dem Zuwarten auf den Ausgang des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ein zureichender Grund für die Untätigkeit im Sinne von § 88 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 SGG vorgelegen habe. Eine Entscheidung in der Hauptsache vor Abschluss des Verfahrens des einstweiligen Rechtschutzes, die in der Sache der nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen Entscheidung gefolgt wäre, wäre unsinnig und vor allem nicht im Interesse der Klägerin gewesen.
Der Senat entnimmt dem Vorbringen des Beklagten den Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. Januar 2008 abzuändern und zu erkennen, dass außergerichtliche Kosten der Klägerin nicht zu erstatten sind.
Die Klägerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Eine Untätigkeit der Bek...