Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung. Geltendmachung von rentenrechtlichen Zeiten in einem Verfahren gegen die Rentenhöhe. Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung als Lehrling. Anrechnung einer unvermeidbaren Zwischenzeit. Anrechnungszeiten wegen Ausbildung. Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit. Überbrückungszeiten. Lehrgang einer VHS als Fachschulausbildung. Verzinsung
Orientierungssatz
1. Eine Lehrzeit im Sinne des § 247 Abs. 2 a SGB VI liegt vor, wenn diese Zeit in einem Betrieb hauptsächlich der Fachausbildung dient, diesem Ziel entsprechend geleitet wird und der Auszubildende tatsächlich die Stellung eines Lehrlings einnimmt. Darüber hinaus muss die Ausbildung in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis erfolgen, also der Lehrling in den Betrieb nach Art eines Arbeitnehmers eingegliedert und dem Weisungsrecht des Betriebsinhabers unterworfen sein, vgl. BSG, Urteil vom 29. November 1957 - 7 RAr 40/57.
2. Eine unvermeidbare Zwischenzeit erfasst bestimmte ausbildungsfreie Zeiten während und nach der Schulausbildung oder einer anderen Ausbildung unter bestimmten Voraussetzungen. Rechtsgrundlage dafür ist in erweiternder Auslegung § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI. Es müssen mithin mit Ausnahme der Tatsache, dass in dieser unvermeidbaren Zwischenzeit Ausbildung nicht stattfindet, die sonstigen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen.
3. Nach dem Beschluss des Großen Senats des BSG vom 09.12.1975 - GS 1/75 bewirkt die Entrichtung von Pflichtbeiträgen die Entstehung einer Beitragszeit. Eine anrechenbare Ausfallzeit (jetzt Anrechnungszeit) wegen Arbeitsunfähigkeit kann daher für denselben Zeitraum nicht entstehen. Eine solche Ausfallzeit (jetzt Anrechnungszeit) liegt hierbei schon dann nicht vor, wenn schon für Teile eines Monats Beiträge entrichtet worden sind. Dies gilt auch dann, wenn nur ein einziger Tag des Monats mit Beiträgen belegt ist.
4. Liegt zwischen dem Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung bzw. selbständigen Tätigkeit und dem vorzumerkenden Anrechnungszeittatbestand (bzw. Anrechnungszeit) ein Zeitraum, der einen vollen Kalendermonat überschreitet, kann der erforderliche zeitliche Zusammenhang zur versicherten Beschäftigung bzw. selbständigen Tätigkeit im Sinne seiner Unterbrechung durch so genannte Überbrückungszeiten gewahrt werden. Diese Überbrückungszeiten sind selbst keine Anrechnungszeittatbestände (bzw. Anrechnungszeiten), sondern sie wahren nur den Anschluss an die versicherungspflichtige Beschäftigung bzw. selbständige Tätigkeit. Grundsätzlich gilt eine Grenze von 6 Monaten, vgl. BSG, Urteile vom 22. September 1981 1 RJ 94/78 sowie vom 14. Januar 1982 - 4 RJ 89/80.
5. Die Teilnahme an Lehrgängen an einer Volkshochschule, auch wenn diese Lehrgänge in nicht allgemeinbildenden, sondern berufsbezogenen Fächern Bildung vermitteln, ist nicht als Fachschulausbildung zu werten.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. Juli 2010 wird geändert.
Die Beklagte wird gemäß ihres Anerkenntnisses verurteilt, bei der Altersrente für die Zeit vom 01. April 1988 bis 30. September 1988 ein Arbeitsentgelt von 11.146,84 DM bei Aufteilung für April 1988 mit 1.560 DM und für die Zeit vom 01. Mai bis 30. September 1988 mit 9.586,84 DM zu berücksichtigen.
Die Beklagte wird außerdem unter Änderung des Bescheides vom 06. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2006 verurteilt, Zinsen in Höhe von 4 v. H. aus nachzuzahlenden monatlichen Rentenbeträgen resultierend aus der Neufeststellung durch Bescheid vom 06. Februar 2002 mit der Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit vom 24. Juni bis 30. September 1951 beginnend ab April 1995 bis Juli 1996 zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten höhere Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige unter Berücksichtigung vornehmlich weiterer rentenrechtlicher Zeiten sowie weiterer Verzinsung bereits nachgezahlter Rentenbeträge.
Die im August 1932 geborene Klägerin stellte im April 1981 einen Antrag auf Kontenklärung, in dem sie u. a. angab, vom 01. Juli 1947 bis 14. Oktober 1947 eine Berufsfachschule besucht, vom 15. Oktober 1947 bis 28. Februar 1949 eine Beschäftigung als Anwaltslehrling absolviert, vom 01. März 1949 bis 23. Juni 1951 eine Fachschulausbildung durchlaufen und vom 01. April 1970 bis 31. März 1972 diverse Aushilfsarbeiten ohne Kranken- und Rentenversicherung ausgeübt zu haben; ihr letzter Beitrag sei für Mai 1972 zur Rentenversicherung der Angestellten entrichtet worden. Sie fügte neben ihrer Meldekarte über eine Zeit der Arbeitslosigkeit vom 24. Juni bis 30. September 1951 eine Bescheinigung der M--Oberschule, Berufsfachschule für Kinderpfleger und Kinderpflegerinnen sowie Berufsschule, Staatliche Fachschulklasse für Altenpflege Berlin vom 24. März 1981 und das Zeugnis ...