Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattungsanspruch des erstangegangener Rehabilitationsträgers gegen den vorrangig zuständigen Rehabilitationsträger. Unfallversicherung. Rentenversicherung. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Eingangsverfahren. Berufsbildungsbereich. Werkstatt für behinderte Menschen
Orientierungssatz
Hat ein Leistungsträger einen Antrag auf Reha nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang weitergeleitet, weil er aufgrund des Antrags seine Zuständigkeit geprüft und zunächst bejaht hat, begründet § 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX für das Erstattungsverhältnis zwischen den Trägern eine nachrangige Zuständigkeit des erstangegangenen Trägers, wenn er nach den Zuständigkeitsregelungen außerhalb von § 14 SGB IX unzuständig, ein anderer Träger aber zuständig gewesen wäre. Dies ermöglicht es, dass der erstangegangene Reha-Träger im Rahmen eines Erstattungsstreits sich die Kosten der Reha-Maßnahme nach § 104 SGB X vom vorrangig zuständigen Reha-Träger erstatten lässt (vgl. BSG, Urteil vom 02. November 2010 - B 1 KR 9/10 R).
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. Oktober 2010 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 27.293,06 € zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 27.293,06 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der einem Versicherten erbrachten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Hierbei ist zwischen den Beteiligten streitig, ob § 14 Abs. 4 S. 3 des Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) bzw. die am 01. Mai 2004 in Kraft getretene “Verfahrensabsprache zur Anwendung von § 14 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 SGB IX bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zur schnellen Leistungserbringung im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten„ (Verfahrensabsprache) der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs von vornherein entgegen steht.
Der Versicherte erlitt am 23. November 2001 einen Wegeunfall, indem er als Fahrradfahrer auf dem Weg von seiner Arbeitsstelle nach Hause von einem Personenkraftwagen erfasst wurde und ein offenes Schädelhirntrauma dritten Grades mit Epiduralhämatom rechts, traumatischer Subarachnoidalblutung, Hirnödem, frontaler Calotten-, Siebbein- und Keilbeinfraktur rechts und Olfactoriusabriss rechts davon trug, vgl. Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. B (Krankenhaus B) vom 03. Januar 2002 und Arztberichte der Dres. W u.a. (Bezirksklinikum R, Fachklinik für neurologische Rehabilitation) vom 31. Mai 2002 und 13. Juni 2002. Nach einer intensivmedizinischen und sodann stationären, später teilstationären Weiterbehandlung bzw. Rehabilitation wurde der Versicherte im Bezirksklinikum R in einem beschäftigungstherapeutischen Nachsorgeprogramm ambulant weiterbehandelt. Es wurden beim Versicherten schwer gestörte Aufmerksamkeitsfunktionen, stark vermehrte Ablenkbarkeit, psychomotorische Verlangsamung, Störung der selektiven und geteilten Aufmerksamkeit, deutliche Gedächtniseinbußen, Beeinträchtigungen in allen Gedächtnisfunktionen, deutliche Beeinträchtigungen der Auffassungsgabe, des abstrakten Denkens, Planens und Problemlösens festgestellt, wobei eine bereits prämorbide, sehr einfache Intelligenzstruktur im Sinne einer leichten Minderbegabung unterstellt wurde, vgl. o.g. Arztbericht des Bezirksklinikums R vom 31. Mai 2002. Es wurde von Seiten der Ärzte und Therapeuten die Empfehlung ausgesprochen, dem Versicherten aufgrund der kognitiven und körperlichen Einschränkungen eine Wiedereingliederungsmaßnahme in einer Werkstatt für Behinderte zu gewähren, vgl. Neuropsychologischen Zwischenbericht von Dipl.-Psych. W (Bezirksklinikum R) vom 28. Februar 2002 nebst Abschlussbericht des Sozialpädagogen/ Therapeuten G vom 25. Februar 2002 (ebendort) und dessen Empfehlungsschreiben vom 05. Juni 2002.
Die Klägerin hatte durch eine Unfallanzeige der Krankenkasse des Versicherten vom 12. Dezember 2001 (Posteingang bei der Beklagten am 13. Dezember 2001) Kenntnis vom Wegeunfall erhalten. Nach medizinischen Ermittlungen gewährte sie ihm, nachdem er der Klägerin zum Zweck der Leistungsgewährung unter dem 05. Februar 2002 einen von ihm ausgefüllten Wegeunfall-Fragebogen übersandt und unter dem 15. April 2002 die Kontoverbindung angegeben hatte, aufgrund der Bescheide vom 18. September 2001 und 08. November 2002 die Aufnahme zum 01. Oktober 2002 in die R Werkstätten bzw. eine ebendort stattfindende Berufsbildungsmaßnahme bis zum 31. Oktober 2003. Ferner übernahm sie Fahrtkosten und bewilligte Übergangsgeld einschließlich Sozialbeiträge. Die im Anschluss von der Klägerin veranlasste Begutachtung des Versicherten, vgl. nervenärztliches Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K vom 21. Februar 2003, unfallchirurgisches Zusatzgutachten des Chirurgen Dr...