Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Schnittmeister innerhalb der Postproduktion von Filmen

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn eine Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis nach Weisungen erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte und die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft gekennzeichnet.

2. Unterliegt ein Diplom-Schnittmeister bei seiner Tätigkeit innerhalb der Post-Produktion von Filmen für ein Unternehmen keinerlei Weisungen, kann er über seine Arbeitszeit frei verfügen und erhält er von dem Auftraggeber eine pauschale Vergütung, hat er keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlten Urlaub, so sprechen solche Umstände für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit.

3. Geht im Übrigen die Tätigkeit des Schnittmeisters über das einfache Schneiden eines Films weit hinaus, steht ihm vielmehr ein erheblicher künstlerisch-eigenschöpferischer Gestaltungsspielraum zu und unterliegt er damit einer inhaltlichen Einflussnahme seines Auftraggebers nicht, so liegt eine versicherungsfreie selbständige Tätigkeit vor; dies gilt erst recht dann, wenn er für mehrere Auftraggeber tätig ist.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers in seiner Tätigkeit als Editor für die Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 28. August 2009 bis zum 5. Oktober 2009.

Der Kläger ist Diplom-Schnittmeister und nach eigenen Angaben seit 2001 selbständig. Im Jahr 2009 hatte er nach eigenen Angaben vier bis sechs Auftraggeber.

Die Beigeladene zu 1) ist eine sogenannte Post-Produktions-Firma. Diese Firmen produzieren nicht selbst Filme. Die Postproduktion eines Filmes umfasst die Bearbeitung bereits produzierter Aufnahmen, insbesondere den Schnitt und die digitale Nachbearbeitung von Aufnahmen am Computer sowie das Vertonen und Unterlegen der Aufnahmen mit Musik. Die Beigeladene zu 1) beschäftigt u. a. drei festangestellte Cutter. Die Produktionsfirmen können die Schnittplätze der Beigeladene zu 1) mieten und ggf. auch Cutter der Beigeladenen zu 1) hierfür in Anspruch nehmen.

Vom 28. August 2009 bis zum 5. Oktober 2009 war der Kläger für die Beigeladene zu 1) als Editor für die Sendereihe “t - Folge 1-4„ tätig. Hierbei handelt es sich um eine vierteilige Reihe für das Magazin “t„ des Senders P. Die einzelnen Teile sind in sich abgeschlossene Filme. Inhaltlich geht es darum, dass zwei Fotografen in acht Stunden in einer Fußgängerzone oder in einem Café jeweils eine Frau finden müssen, die nach ihrer fachkundigen Meinung für eine Tätigkeit als Model in Frage kommen und die Interesse an einer derartigen Tätigkeit haben. Ist eine entsprechende Frau gefunden, wird sie mit Hilfe eines Stylisten und Kosmetikers bzw. Visagisten entsprechend gestylt. Eine Jury beurteilt schließlich, welche der beiden Frauen das Gewinnermodel ist. Sie erhält einen Gewinn.

Grundlage der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1) war ein als “Werkvertrag„ überschriebener Vertrag vom 15. August 2009, der (in Auszügen) den folgenden Wortlaut hat:

§ 1 Gegenstand

Gegenstand des Vertrages ist die Erbringung von werkvertraglichen Leistungen durch den Auftragnehmer. Der Arbeitstitel des Werkes lautet:

TM - Folge 1 bis 4„

§ 2 Leistungsumfang

Der Auftragnehmer führt die in diesem Vertrag beschriebenen Leistungen (nachfolgend - Leistungen - genannt) aus. Die Leistungen sind wie folgt definiert:

Der Auftragnehmer bietet seine Dienste als Editor an. Hierzu zählen die inhaltliche und gestalterische Filmmontage von Videomaterial, welches vom Auftraggeber angeliefert wird. Der Auftragnehmer verpflichtet sich neben der künstlerischen Gestaltung des Endproduktes zu einer normgerechten technischen Umsetzung des Bild- und Tonmaterials. Hierzu zählen z. B. der harmonische Einsatz von Musik im Allgemeinen, eine harmonische Tonmischung, die ästhetische Umsetzung von Farbkorrekturen, sowie die Einhaltung video- und audiotechnischer Normen. Die Abgabe des Werkes erfolgt entweder auf einer Digi-Beta-Kassette oder wenn weitere Maßnahmen zur Fertigstellung durch den Auftraggeber erforderlich sind (z. B.: Erbringung von Verpackungselemente, Vertonung, Tonentmischung) in digitaler Form: abgesicherte AVID-Projektdaten.

§ 3 Ausführung

(1) Der Auftragnehmer gestaltet seine Arbeitszeit für den Auftraggeber nach freiem, aber pflichtgemäßen Ermessen. Für Arbeiten, die der Auftragnehmer in Zusammenarbeit mit dem Redakteur/der Redakteurin des Filmwerkes durchführen kann, ...

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