Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Lärmeinwirkung. Lärmtrauma. Mini-Lärmtrauma. akustischer Unfall. haftungsbegründende Kausalität. vorübergehende Hörminderung mit kurzzeitigen Schmerzen. aggressives Schreien und Pfeifen einer Schülergruppe. Sportunterricht. Lehrer
Orientierungssatz
Zur bejahten Anerkennung einer vorübergehenden Hörminderung mit kurzzeitigen Schmerzen eines Lehrers infolge einer Lärmeinwirkung von bis zu 129 dB (A) seitens der Sportschüler nach einem gewonnenen Sportspiel als Folge eines Arbeitsunfalls gem § 8 Abs 1 SGB 7.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. Januar 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten für das gesamte Verfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 01. Dezember 2014 als Arbeitsunfall.
Der 1979 geborene Kläger war im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses als Sportlehrer an der W Oberschule tätig. Am 01. Dezember 2014 erteilte er Sportunterricht. Nach dessen Ende ging er zusammen mit den etwa 30 Schülern durch den Flur zu den Umkleideräumen. Die Jugendlichen schrien und grölten dabei lautstark. Einige der Schüler hielten sich wegen des Lärms die Ohren zu, während sie selbst laut kreischten.
Am 15. Dezember 2014 suchte der Kläger den Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO) Dr. L auf. Bei dem von Dr. L aufgezeichneten Tonschwellenaudiogramm zeigte sich bei ansonsten regelrechtem HNO-Befund eine Hörminderung rechts im Hochtonbereich von 40 dB bei ca. 6 kHz. Er diagnostizierte einen Hörsturz und behandelte den Kläger mit drei Injektionen eines Cortisonpräparates. Die Behandlung stellte er dem Kläger privatärztlich in Höhe von insgesamt 80,43 Euro in Rechnung. Bei der Wiedervorstellung am 23. Dezember 2014 stellte Dr. L fest, dass sich das Hörvermögen gebessert, aber noch nicht den Zustand vor dem Hörsturz erreicht habe. Eine weitere Verbesserung war im Tonschwellenaudiogramm vom 30. Januar 2015 zu verzeichnen.
Am 09. Januar 2015 ging bei der Beklagten eine Unfallanzeige der Schule des Klägers ein. In dieser findet sich folgende Schilderung eines Unfallhergangs vom 01. Dezember 2014:
„In der 3. Stunde habe ich Unterricht in der Sportgruppe 10.67, bestehend aus 32 Jungen (den Jungen der 10.6 und 10.7) erteilt. Gegen Ende der Stunde wurde ein kurzes Abschlussspiel ausgetragen, die Schüler anschließend in den Flur zu den Kabinen entlassen. Hier feierten sich die Sieger des Spiels durch Gröhlen, Schreien und aggressives Pfeifen. Die Verlierer kommentierten ebenfalls durch Gröhlen und Pfeifen. Als ich mir den Weg zu den Umkleiden gebahnt habe, haben mich die Schüler nicht gesehen. Einige Schüler haben sich selbst die Ohren zugehalten und laut gekreischt und sich auf diese Weise einen Spaß daraus gemacht, ihre Mitschüler zu ärgern. Dieses akustische Schockereignis hat zu einem Knacken und anschließend zu einem Druckempfinden auf meinem rechten Ohr geführt, was von einem hohen, intensiven Piepton begleitet wurde. Zudem hatte ich das Gefühl einer akustischen Einschränkung (Hören wie in einer „Blase"). Da ich bisher diesbezüglich keine Erfahrung hatte, glaubte ich, das Ganze würde sich nach einiger Zeit von selbst geben. Am 2. Dezember habe ich mich mit Verdacht auf eine Mittelohrentzündung krankgemeldet. Weil das Druckgefühl relativ rasch verschwunden ist, bin ich am 3. Dezember wieder zur Arbeit gegangen. Als der Piepton auch am Wochenende des 13./14. Dezember nicht verschwunden, sondern unverändert stark wahrzunehmen war und auch dieses Empfinden „Hören wie in einer Blase" nicht besser wurde, entschloss ich mich am Montag, dem 15. Dezember 2014, zum Arzt zu gehen. Dieser diagnostizierte einen Hörsturz."
Der Kläger begehrte die Erstattung der ihm entstandenen Behandlungskosten i. H. v. 80,43 Euro.
Die Beklagte wandte sich nachfolgend mit der Bitte um Erläuterung der Behandlung an Dr. L. Dieser teilte ausweislich einer Aktennotiz der Beklagten am 02. März 2015 telefonisch mit, dass der Hörsturz mittels Cortison behandelt worden sei. Weil das Cortisonpräparat nicht für die Hörsturzbehandlung zugelassen sei, habe er ein Privatrezept ausgestellt. Inzwischen sei der Hörsturz verheilt. Er gehe davon aus, dass es sich nur um einen normalen Hörsturz ohne Bezug zu einem Unfall gehandelt habe. Der Kläger habe jedoch darauf bestanden, dass das Ereignis als Arbeitsunfall behandelt werde, damit ihm später keinerlei Nachteile entstünden.
Mit Bescheid vom 28. Mai 2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Nach den vorliegenden Unterlagen sei das Ereignis vom 01. Dezember 2014 nicht geeignet, einen Hörsturz hervorzurufen. Vielmehr liege ein Gelegenheitsanlass vor. Es sei davon auszugehen, dass das Ereignis auch bei jeder anderen Verrichtung des täglichen Lebens hätte auftreten können.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 2...