Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenbehandlung. außervertragliche Psychotherapie. Systemversagen. Kostenerstattung
Orientierungssatz
Zur Erstattung der Kosten für eine ambulante außervertragliche Psychotherapie.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. November 2019 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für eine ambulante außervertragliche Psychotherapie mit entstandenen Kosten im Umfang von 2.679,31 Euro.
Die 1978 geborene Klägerin ist Mitglied der beklagten Krankenkasse.
Sie beantragte mit Schreiben vom 30. Januar 2017 die Übernahme der Kosten für eine außervertragliche Psychotherapie bei Frau Dipl.-Psych. L, Psychologische Psychotherapeutin mit Praxissitz in der P Straße, B. Zur Begründung führte sie aus, dass sie trotz intensiver Bemühungen keinen freien Therapieplatz bei einem kassenzugelassenen Psychotherapeuten erhalten habe und aufgrund ihrer Erkrankung keine längere Wartezeit in Kauf nehmen könne. Dem Antrag fügte sie eine von ihr unterzeichnete Liste vom 30. Januar 2017 mit den Namen von zwölf Berliner Psychotherapeutinnen und -therapeuten bei, die sie am 24./25. Januar 2017 kontaktiert hatte. Des Weiteren legte sie eine ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung vor Aufnahme einer Psychotherapie der behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D mit den Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung, mittelgradige Episode sowie einer Agoraphobie vom 30. Januar 2017 vor. Danach litt die Klägerin an schweren Schlafstörungen, wiederauftretenden agoraphobischen Ängsten und einer gedrückten Stimmung. Es drohte eine erneute depressive Dekompensation bei depressiven Phasen in 2007 und 2012 mit lang bestehender, schwerer Symptomatik. Ein kurzfristiger Behandlungsbeginn wurde für dringend erforderlich erachtet.
Mit Bescheid vom 9. Februar 2017 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus, dass Kosten für eine nicht vertragliche Psychotherapie nur im Ausnahmefall übernommen werden könnten. Dieser liege vor, wenn der Versicherte keinen freien Therapieplatz bei einer zugelassenen Therapeutin bzw. einem zugelassenen Therapeuten finde. Laut der Kassenärztlichen Vereinigung gebe es in der Region der Klägerin allerdings genügend Therapeutinnen und Therapeuten mit einer Kassenzulassung. Deshalb könnten keine Kosten für die Behandlung durch Dipl.-Psych. L übernommen werden. Die Klägerin könne bei den folgenden Therapeuten demnächst eine Behandlung beginnen: Dipl.-Psych. K M, S, B; Dipl.-Psych. J V, C, B sowie Se A, G, B. Die Klägerin solle mit einem/einer dieser Therapeutinnen/Therapeuten einen Termin vereinbaren.
Gegen den Bescheid der Beklagten erhob die Klägerin unter dem 9. März 2017 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass ihr von den zugelassenen Therapeuten kein Therapieplatz angeboten worden bzw. die Wartezeit auf einen solchen unzumutbar lang gewesen sei. Sie gehe davon aus, dass sie ihren Beruf ohne zeitnahe Durchführung der Therapie nicht mehr ausüben könne. Zu Dipl.-Psych. L bestehe ein besonderes Vertrauensverhältnis.
Der Beklagten lag außerdem ein Bericht von Dipl.-Psych. L vom 28. März 2017 vor, nach dem sich die Klägerin in einer äußerst schwierigen Situation befinde. Um eine Exazerbation der Symptomatik sowie eine langanhaltende Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden, sei ein möglichst rascher Therapiebeginn erforderlich. Ein Nachweis ihrer Approbation, der Fachkundenachweis sowie der Eintrag im Arztregister lägen der Beklagten vor. Es würden fünf probatorische Sitzungen und 45 Einzelsitzungen Verhaltenstherapie (GOP Ziffer 870) sowie die zugehörigen therapierelevanten Leistungen beantragt.
Mit Schreiben vom 11. April 2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Kosten für die Behandlung bei Dipl.-Psych. L nicht übernommen werden könnten, da sie vertragsärztlich nicht zugelassen sei. In der weiteren Begründung verwies sie die Klägerin auf eine Sprechstunde bei einem zugelassenen Therapeuten/einer zugelassenen Therapeutin und auf die Möglichkeit, sich an die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin zu wenden. Diese vermittele ihr eine Therapeutin bzw. einen Therapeuten. Am Ende der psychotherapeutischen Sprechstunde erhalte sie eine individuelle Patienteninformation mit Empfehlungen zum weiteren Vorgehen.
Auch gegen das Schreiben vom 11. April 2017 erhob die Klägerin Widerspruch. Bei ihr sei zwischenzeitlich erstmals die Diagnose Morbus Crohn gestellt worden. Dies ergebe sich aus dem vorliegenden Bericht der Klinik W vom 30. Juni 2017. Danach bestehe die Symptomatik seit über 10 Jahren mit phasenweise auftretenden Durchfällen und abdominellen Schmerzen und endoskopisch segmentalen entzündlichen Schleimhautveränderungen, die auch psychisch zu einer deutlichen Belastung geführt hätten. Dem Hinweis der Beklag...