Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Schüler-BAföG. keine zweckbestimmte Einnahme. Zweckidentität. Absetzung gem § 11 Abs 2 SGB 2. mit der Einkommenserzielung verbundene notwendige Ausgaben. Werbungskosten
Orientierungssatz
1. Es ist davon auszugehen, dass zwischen den Leistungen nach dem SGB 2 und der Ausbildungsförderung nach § 12 Abs 1 Nr 1 BAföG Zweckidentität besteht, so dass die Ausbildungsförderung keine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 darstellt und grundsätzlich als Einkommen iS von § 11 Abs 1 SGB 2 zu berücksichtigen ist.
2. Von der Ausbildungsförderung sind Versicherungsbeiträge gem § 11 Abs 2 Nr 3 SGB 2 sowie die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben gem § 11 Abs 2 Nr 5 SGB 2 (hier: Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte in Höhe der Kosten einer Monatskarte für Auszubildende und Lehrgangsgebühren) abzusetzen.
3. Bei der Bestimmung des zu berücksichtigenden Einkommens nach § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 sind die notwendigen Ausgaben für jede Einkommensart gesondert festzustellen. Insoweit ist der Begriff der "notwendigen Ausgaben" in § 11 Abs 2 Nr 5 SGB 2 iVm § 3 Abs 3 AlgIIV nicht mit dem steuerrechtlichen Begriff der "Werbungskosten" gleichzusetzen.
4. Zu den Anforderungen an eine Kausalität zwischen den notwendigen Ausgaben gem § 11 Abs 2 Nr 5 SGB 2 iVm § 3 Abs 3 AlgIIV und der Einkommenserzielung ("Verbundenheit").
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende wegen des Bezuges von Ausbildungsförderungsleistungen.
Die 1984 geborene Klägerin, die mit ihrer Mutter in einer 67,79 qm großen Vierzimmerwohnung mit einer Brutto-Warmmiete in Höhe von 455,63 Euro (zuzüglich eines Modernisierungszuschlages in Höhe von 17,63 Euro) monatlich lebt, bezog vom 1. September 2003 bis zum 29. Februar 2004 Arbeitslosengeld in Höhe von 42,00 Euro wöchentlich und im Anschluss bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe in Höhe von 37,10 Euro wöchentlich. Vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Mai 2005 gewährte ihr der Beklagte Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 572,58 Euro monatlich. Mit Bescheid vom 18. Mai 2005 gewährte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis zum 30. November 2005 in Höhe von 572,58 Euro monatlich (345,00 Euro Regelleistung und 227,58 Euro Kosten der Unterkunft und der Heizung). Die Mutter der Klägerin bezog in diesem Zeitraum ebenfalls Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Am 1. Juni 2005 nahm die Klägerin eine Ausbildung zur Altenpflegerin auf. In der hierzu am 1. Juni 2005 mit der E Berufsfachschule für Altenpflege Nord in B geschlossenen Vereinbarung über die theoretische Ausbildung im Ausbildungsberuf Altenpfleger verpflichtete sich die Klägerin zur Zahlung von monatlichen Lehrgangsgebühren von 125,00 Euro. Den praktischen Teil der Ausbildung absolviert die Klägerin in einem evangelischen Altenheim. Nach dem Ausbildungsvertrag über diese Ausbildung erhält die Klägerin hierfür keine Ausbildungsvergütung. Den Weg von ihrer Wohnung zur 9,4 km entfernten Berufsfachschule bzw. zum 37,1 km entfernten Altenheim bewältigt die Klägerin mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Kosten für ein entsprechendes Ticket für Auszubildende betrugen in dem hier streitbefangenen Zeitraum 48,50 Euro monatlich. Das Bezirksamt L von B bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 20. Juli 2005 Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) vom Ausbildungsbeginn an in Höhe von 192,00 Euro monatlich.
Mit Bescheid vom 23. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2005 hob der Beklagte daraufhin seine Leistungsbewilligung mit Wirkung vom 1. Juni 2005 sinngemäß in Höhe von 162,00 Euro monatlich auf. Zur Begründung führte er aus, dass die der Klägerin gewährte Ausbildungsförderung in Höhe 192,00 Euro abzüglich einer Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro als bedarfsminderndes Einkommen auf die Grundsicherungsleistungen angerechnet werden müsste.
Im anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, dass von der ihr gewährten Ausbildungsförderung die von ihr aufzubringenden Lehrgangsgebühren in Höhe von 125,00 Euro monatlich sowie die notwendigen Fahrtkosten in Höhe von 48,50 Euro monatlich abzusetzen seien. Mit weiterem Bescheid vom 31. Januar 2006 hat die Beklagte die angefochtene Entscheidung abgeändert und statt 162,00 Euro nunmehr lediglich noch 123,60 Euro monatlich auf den Bedarf der Klägerin angerechnet. Nach geänderter Rechtsauffassung der Beklagten seien 20 v. H. (38,40 Euro) der Ausbildungsförderung nach dem BAföG als pau...