Entscheidungsstichwort (Thema)

Gründungszuschuss. Ermessenslausübung. Vermittlungsvorrang. Einzelfallbetrachtung. Bewerbungsaktivitäten

 

Leitsatz (amtlich)

In welchem Umfang der Versuch der Vermittlung zu erfolgen hat und zu dokumentieren ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, ua von den Bewerbungsaktivitäten des Antragstellers.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 20. Juni 2018 wird zurückgewiesen.

Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung eines Gründungszuschusses streitig.

Die 1981 geborene Klägerin hat von 2001 bis 2004 erfolgreich eine Berufsausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten in F absolviert. Es schloss sich ein Studium der Rechtswissenschaft an der Europa-Universität V in F in der Zeit von 2004 bis 2011 an, das die Klägerin mit dem 1. juristischen Staatsexamen mit der Gesamtnote befriedigend abschloss. Nach Ableistung ihres Referendariats im Landgerichtsbezirk C seit 2011 bestand sie am 19. November 2013 die 2. juristische Staatsprüfung mit der Gesamtnote befriedigend.

Die Klägerin meldete sich am 4. November 2013 zum 1. Dezember 2013 bei der Beklagten arbeitslos, die ihr daraufhin mit Bescheid vom 9. Dezember 2013 ab dem 1. Dezember 2013 bis einschließlich 30. November 2014 Arbeitslosengeld mit einem Leistungsbetrag von 16,88 € täglich bewilligte. Nachdem die Klägerin am 25. Juni 2014 die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwältin ab 1. Juli 2014 in einem zeitlichen Umfang von mehr als 15 Stunden wöchentlich angezeigt hatte, hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 1. Juli 2014 auf.

Bereits am 5. November 2013 und erneut am 17. Dezember 2013, 17. Februar 2014 und 17. März 2014 schlossen die Beteiligten Eingliederungsvereinbarungen mit dem Ziel der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung der Klägerin als Juristin, alternativ Rechtsanwältin. In einer zwischen den Beteiligten am 8. April 2014 geschlossenen Eingliederungsvereinbarung ist als Ziel schließlich die Aufnahme einer beitragspflichtigen Beschäftigung als Volljuristin bundesweit, „alternativ Selbständigkeit als Rechtsanwältin“ vereinbart.

Unter dem 25. Juni 2014 unterschrieb die Klägerin einen ihr am 8. April 2014 ausgereichten Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit am 1. Juli 2014 als Rechtsanwältin in N und reichte ihn bei der Beklagten ein. Dem Antrag waren unter anderem die Anlage „Begründung der Förderung“, die Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 17. Juni 2014, das Existenzgründungskonzept der Klägerin, der Sozietätsvertrag vom 30. April 2014, der für das Finanzamt Frankfurt (Oder) erstellte Fragebogen zur steuerlichen Erfassung bei Gründung einer Personengesellschaft/-Gemeinschaft vom 8. Mai 2014, die Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft vom 20. Juni 2014, die Teilnahmebescheinigung der Klägerin am Fortbildungsseminar zum Gebührenrecht des RVG vom 24. Mai 2014 und die Vereinbarung zwischen dem Lotsendienst des Landkreises O und der Klägerin mit dem Ziel der Unterstützung bei der Entwicklung eines Unternehmenskonzeptes und weiteren Fragen in Gründungsvorbereitung vom 8. April 2014 beigefügt.

Ausweislich eines Vermerkes der Mitarbeiterin der Beklagten Frau W vom 3. April 2014 erfolgte an diesem Tag ein persönliches Gespräch im Bereich Arbeitsvermittlung mit der Klägerin. Frau W vermerkte an diesem Tag, dass bundesweite Bewerbungsaktivitäten der Klägerin als Juristin bisher mit allgemeinen Arbeitgeber-Ablehnungen erfolglos geblieben seien. Es sei eine Auswertung der Vermittlungsvorschläge-Übersicht erfolgt. Nun strebe die Klägerin ab ca. Sommer 2014 die Aufnahme einer Selbständigkeit als Rechtsanwältin in Partnerschaft mit Rechtsanwalt S in N an, da sie an einer Tätigkeit vor Ort interessiert sei. Es sei mit der Klägerin ausführlich über die Voraussetzungen des Gründungszuschusses gesprochen worden. Positive Arbeitsmarktchancen „lt. bac“ seien aufgezeigt worden, womit ein Vermittlungsvorrang bestehe und die Gewährung eines Gründungszuschusses durch die Beklagte nicht notwendig sei. An diesem Tag verzichtete die Klägerin zunächst auf die Gewährung eines Gründungszuschusses, nahm diesen Verzicht aber unter dem 7. bzw. 8. April 2014 zurück, nachdem ihr bei einem Beratungsgespräch beim Lotsendienst der IHK mitgeteilt worden war, dass die „Aufbauförderung“ für sie nicht in Betracht komme. Ausweislich eines Vermerkes der Mitarbeiterin der Beklagten W vom 8. April 2014 erfolgte an diesem Tag ein gemeinsamer Stellensuchlauf mit dem Ergebnis von bundesweit 180 Stellenanzeigen. Man habe den regionalen Stellensuchlauf bis Berlin besprochen, Interesse sei vorhanden gewesen und 5 Vermittlungsvorschläge seien ausgehändigt worden. Frau W vermerkte, das...

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