Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kosten für das Einfrieren von Eierstockgewebe. Kostenübernahme durch Krankenkassen weder im Rahmen einer künstlichen Befruchtung nach § 27a SGB 5 noch als Teil einer Krankenbehandlung zur Wiederherstellung der Empfängnisfähigkeit nach § 27 SGB 5
Orientierungssatz
Die Kryokonservierung und Retransplantation von autologem Ovarialgewebe entspricht derzeit nicht dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Die Erfolgschancen können nach dem derzeitigen Forschungsstand noch nicht als hoch eingeschätzt werden, zumal noch ungeklärt ist, ob die Qualität der Eizellen durch das Einfrieren und die Transplantation nicht doch beeinträchtigt wird.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für die Lagerung von Eierstockgewebe durch Kryokonservierung.
Sie ist 1980 geboren und Mitglied bei der Beklagten. Sie litt im Januar 2007 an einem Mammakarzinom, aufgrund dessen sie sich begleitender Chemotherapien zu unterziehen hatte. Parallel zur Chemotherapie wurde eine Ovarprotektion mit einem GnRH-Analogon durchgeführt. Als Begleiterscheinung hat die Chemotherapie mit recht hoher Wahrscheinlichkeit zur Unfruchtbarkeit geführt.
Am 3. Januar 2007 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für eine Kryokonservierung vorsorglich zu entnehmenden bzw. entnommenen Eierstockgewebes. Durch die Kryokonservierung sollte und soll der zu erwartende Verlust der Empfängnisfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt funktionell ersetzt werden. Sie reichte hierzu eine ärztliche Bescheinigung des Dr. MB vom “K G„ vom 4. Januar 2007 ein.
Mit Bescheid vom gleichen Tag lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für das Einfrieren, Lagern und/oder Auftauen der Eizellen bzw. des Eierstockgewebes ab, da die Kryokonservierung eine nach den Richtlinien über die künstliche Befruchtung ausgeschlossene Maßnahme darstelle. Die Kosten für die ärztliche Behandlung zur Gewebeentnahme würden durch das Krankenhaus mit ihr als Krankenkasse direkt abgerechnet.
Die Klägerin erhob Widerspruch und wies u. a. auf den psychischen Druck hin, dem sie vor Beginn der Chemotherapie dadurch ausgesetzt sei, dass sie zu 90 % mit steigender Tendenz nach der Chemotherapie keine eigene Kinder mehr bekommen könne, wie sich dies aus der ärztlichen Bescheinigung ergebe. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Kryokonservierung sei von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nach den §§ 27, 27 a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht erfasst. Gemäß Nr. 4 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über ärztliche Maßnahmen zu künstlichen Befruchtungen seien Maßnahmen solche Leistungen nicht erfasst, die über die eigentliche künstliche Befruchtung hinaus gingen wie etwa die Kryokonservierung von Samenzellen, imprägnierten Eizellen oder noch nicht transferierten Embryonen.
Hiergegen hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben und ausgeführt, dass es sich bei der Kryokonservierung um eine Krankenbehandlung nach § 27 SGB V handele, nämlich konkret zur Herstellung bzw. Beibehaltung der Empfängnisfähigkeit. Auch müsste die Maßnahme im Zusammenhang mit der erfolgreichen und notwendigen Behandlung des Mamakarzinoms aus medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkten gesehen werden. Das SG hat die Klägerin mit Verfügung vom 18. Mai 2005 daraufhin gewiesen, dass die Kryokonservierung nach der sozialgerichtlichen Rechtssprechung (u. a. Hinweis auf Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 22. März 2005 - B 1 KR 11/03 R -) nicht von der die künstliche Befruchtung regelnden Vorschrift des § 27 a SGB V umfasst sei und es sich auch nicht um eine Leistung nach § 27 SGB V zur Wiederherstellung der Zeugungs- bzw. Empfängnisfähigkeit handele.
Mit Gerichtsbescheid vom 26. Oktober 2007 hat es die Klage als unbegründet abgewiesen, da sich ein Anspruch weder aus § 27 Abs. 1 SGB V noch aus § 27 a Abs. 1 Satz 1 SGB V ergebe. Es handele sich insbesondere auch nicht unter psychosozialen Gesichtspunkten um die Behandlung der Krebserkrankung bzw. des möglichen Verlusts der Empfängnisfähigkeit. Denn die Kryokonservierung setze nicht unmittelbar an der eigentlichen Krankheit an. Bei psychischen Störungen beschränke sich der Behandlungsanspruch auf Mittel der Psychiatrie und der Psychotherapie (Bezugnahme auf BSGE 82, 158, 164).
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Kryokonservierung diene der Linderung der Krankheitsfolgen der Karzinombekämpfung. Es handele sich aber auch um ein Anspruch aus § 27 a SGB V. Ohne Kryokonservierung könne nämlich nie später eine künstliche Befruchtung nach den Richtlinien über künstliche Befruchtung des Gemeinsamen Bundesausschusses durchgeführt werden.
Der Senat hat die Berufung mit Urteil vom 20. Februar 2009 zurückgewiesen (AZ: L 1 KR 646/07): Wie das...