Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss einer Leistungspflicht der Krankenkasse für Befruchtung und Kryokonservierung befruchteter Eizellen bei Kinderwunsch einer Versicherten
Orientierungssatz
1. Ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten gegen die Krankenkasse nach § 13 Abs. 3 SGB 5 ist ausgeschlossen, wenn sich dieser die Leistung besorgt hat, ohne zuvor die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten. Die Kostenbelastung des Versicherten muss wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruhen (BSG Urteil vom 30. 6. 2009, B 1 KR 5/09 R).
2. Der Kostenerstattungsanspruch des § 13 Abs. 3 S. 1 1. Alternative SGB 5 bei Selbstbeschaffung ohne vorherige Antragstellung setzt die Unaufschiebbarkeit einer medizinisch notwendigen Leistung voraus. Dem Versicherten muss es aus medizinischen oder anderen Gründen nicht möglich gewesen sein, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten.
3. In jedem Fall muss es sich bei der selbstbeschafften Leistung um eine Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung gehandelt haben. Dies setzt das Bestehen einer nach § 27 SGB 5 notwendigen Krankenbehandlung voraus.
4. Eine Eizellenkryokonservierung (Behandlung zur Entnahme und Befruchtung von Eizellen) bei bestehendem Kinderwunsch einer Versicherten stellt keine Leistung nach § 27 a SGB 5 dar. Diese Regelung erfasst nur Maßnahmen, die dem einzelnen natürlichen Zeugungsakt entsprechen und unmittelbar der Befruchtung dienen, nicht aber Kryokonservierung und Lagerung (BSG Urteil vom 25. 5. 2000, B 8 KN 3/99 KR R). Die Kryokonservierung dient nicht unmittelbar der Befruchtung.
5. Im Übrigen stellt die Kryokonservierung der befruchteten Eizelle keine Behandlung einer Krankheit i. S. von § 27 SGB 5 dar. Die Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 S. 4 SGB 5 zielt allein darauf ab, die Fähigkeit, auf natürlichem Weg eine Schwangerschaft herbeizuführen, wiederherzustellen (BSG Beschluss vom 9. 4. 2018, B 1 R 81/17 B). Sie dient allein dem Erhalt der Möglichkeit, mittels künstlicher Befruchtung ein ein eigenes Kind zu bekommen. Sie erfüllt damit nicht den Krankheitsbegriff des § 27 SGB 5.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 22. Januar 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Erstattung von Kosten für die hormonelle Stimulierung, die Eizellenentnahme und die Kryokonservierung imprägnierter (befruchteter) Eizellen in Höhe von 4.351,48 Euro.
Bei der im Jahr 1983 geborenen Klägerin wurde im Rahmen einer Untersuchung wegen unerfüllten Kinderwunsches im September 2012 ein Borderline Tumor des rechten Eierstocks diagnostiziert, in Folge dessen der rechte Eierstock nebst Eileiter am 11. Oktober 2012 operativ entfernt wurde. In der OP-Nachbesprechung am 30. Oktober 2012 wurde der Klägerin aufgrund der Ausbreitung tumorösen Gewebes im Bauchraum eine Entfernung auch des linken Eierstockes nebst Eileiter, welche zunächst noch tumorfrei waren, sowie die baldige Durchführung einer Chemotherapie empfohlen. Aufgrund des weiterhin bestehenden Kinderwunsches entschied sich die Klägerin nach Beratung mit ihren Ärzten dafür, den Beginn der Chemotherapie und die Operation zugunsten einer Hormonstimulation und Eizellenkryokonservierung zunächst aufzuschieben.
Am 31. Oktober 2012 stellte sich die Klägerin im f. Wunschzentrum vor und begann - nach eigenen Angaben nach Klärung der Finanzierung der Leistungen durch einen Kredit ihres Arbeitgebers - sogleich mit der hormonellen Stimulationsbehandlung als sog. Selbstzahler. Hierfür reichte sie das Rezept der behandelnden Ärztin Dr. A St ein und beglich einen Betrag für verordnete Medikamente in Höhe von 1.589,73 Euro am 31. Oktober 2012 und in Höhe von weiteren 1.073,54 Euro am 1. November 2012. Darüber hinaus zahlte die Klägerin am 8. November 2012 einen Betrag in Höhe von 52,00 Euro, am 9. November 2012 in Höhe von 104,00 Euro und am 12. November 2012 in Höhe von 108,48 Euro für ihr verordnete Arzneimittel.
Am 14. November 2012 entnahm die behandelnde Ärztin der Klägerin unter Vollnarkose 11 Eizellen, wovon 10 Eizellen am nächsten Tag durch eine Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) mit dem Sperma ihres Mannes befruchtet wurden. Hiervon wurden sechs regulär entwickelte Eizellen (sog. imprägnierte Eizellen) im Vorkernstadium (Pronukleusstadium) am 15. November 2012 kryokonserviert (Aufbewahren in flüssigem Stickstoff).
Für die durchgeführte Narkose rechnete die Anästhesistin einen Betrag von 186,00 Euro ab, die Gynäkologin stellte für die gesamte Behandlung einen Betrag von 1.007,97 Euro in Rechnung, wobei nach ihren eigenen Angaben ein Betrag von 152,10 Euro (Mikroskopie der Eizellen vor Kultivierung) bei der Kryokonservierung unbefruchteter Eizellen nicht angefallen wäre. Darüber hinaus fiel für die Laboruntersuchung des Blutes der Klägerin ein Betrag von 55,38 Euro an.
In der Ze...