Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Voraussetzungen für Anspruch auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Kryokonservierung und Lagerung vorsorglich gewonnener Eizellen gehören nicht zum Leistungskatalog
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft setzt nach § 27a Abs 1 Nr 3 SGB V voraus, dass die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind. Eine Auslegung dahingehend, dass schon vor einer geplanten Ehe die Maßnahmen durchgeführt werden können und eine Kostenerstattung erst nach Eheschluss erfolgen soll, ist nicht möglich. Die Kryokonservierung und die Lagerung vorsorglich gewonnener Eizellen gehört nicht zu den Leistungen der GKV. Dies gilt auch, wenn bei der Versicherten eine lebensbedrohliche Erkrankung diagnostiziert wird, deren sofort notwendig werdende Behandlung zu einer Unfruchtbarkeit führen kann.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 10.02.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten im Zusammenhang mit einer Kryokonservierung befruchteter Eizellen.
Die am ….1989 geborene, ledige und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin erkrankte im Jahr 2014 an einer Leukämie/einem Lymphom (Diagnosestellung am 23.06.2014). Die Klägerin suchte am 03.07.2014 persönlich den zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten auf und beantragte im Hinblick auf die bevorstehende Chemotherapie zwecks der Erhaltung der Fruchtbarkeit die Übernahme von Kosten für eine Hormonbehandlung mit anschließender Eizellentnahme, Befruchtung der Eizellen und Kryokonservierung der befruchteten Eizellen. In diesem Gespräch teilte der Sachbearbeiter der Klägerin mit, dass derzeit Kosten für eine künstliche Befruchtung nicht übernommen werden könnten, da sie nicht verheiratet sei. Auch die Kryokonservierung könne nicht übernommen werden. Ob die Hormonbehandlung jetzt gezahlt werden könne, hänge von einer Stellungnahme des Arztes ab.
Die Klägerin begann die hormonelle Stimulierung mit Medikamenten am 04.07.2014. Die Eizellentnahme, Befruchtung der Eizellen und anschließende Kryokonservierung erfolgte zwischen dem 07.07.2014 und 15.07.2014. Die von der Klägerin bezahlten Gesamtkosten belaufen sich auf 3.848,31 €. Die Klägerin begann anschließend die stationäre Chemotherapie am 08.08.2014.
Die Beklagte holte ein Gutachten beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Im Gutachten vom 27.08.2014 führte Dr. S.-G. aus, die zur hormonellen Stimulation verordneten Präparate seien nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig, da die geltenden Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung die prophylaktische Durchführung einer hormonellen Stimulationsbehandlung mit Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung und Kryokonservierung als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ausschließen. Auch für den Transfer der aufgetauten befruchteten Eizelle bestehe keine Leistungspflicht der Krankenversicherung.
Mit Bescheid vom 15.09.2014 lehnte die Beklagte die Erstattung der bisher entstandenen Gesamtkosten im Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung in Höhe von 3.848,31 € unter Bezugnahme auf das Gutachten des MDK ab.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 09.10.2014 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie vortrug, die Chemotherapie habe mit hoher Wahrscheinlichkeit den Eintritt der Unfruchtbarkeit zur Folge, weswegen ihr die behandelnden Ärzte das Einfrieren von befruchteten Eizellen empfohlen hätten. Da die Kryokonservierung medizinisch erforderlich gewesen sei, seien die Kosten von der Krankenkasse zu übernehmen. Im Falle des Abwartens bis nach der Chemotherapie und des Versuchs einer künstlichen Befruchtung würden die Kosten zu 50 % von der Krankenkasse übernommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zur künstlichen Befruchtung Leistungen, welche über die künstliche Befruchtung hinausgehen wie etwa die Kryokonservierung imprägnierter Eiszellen ausgeschlossen seien. Ferner habe die Klägerin das in den Richtlinien zwingend vorgeschriebene Antragsverfahren für die Kinderwunschbehandlung nicht eingehalten. Weiter sei die Klägerin nicht mit ihrem Partner verheiratet. Ferner gehe aus der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung der Kinderwunschpraxis Dres. G. vom 08.07.2014 hervor, dass die Klägerin und ihr Partner anamnestisch gesund seien und sich beim Partner der Klägerin ein unauffälliges Spermiogramm gezeigt habe. Der GBA habe die Kryokonservierung aus der vertragsärztlichen Versorgung ausdrücklich ausgeschlossen. Auch das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, dass die Kryokonservierung nicht der Krankenbehandlung diene und sich nicht als Maßnahme zur Herbeifüh...