Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht: Feststellung des Grades einer Behinderung. Bildung eines Gesamt-GdB
Orientierungssatz
1. Bestehen bei einem Betroffenen mehrere Gesundheitsstörungen, die jeweils für sich einen Grad der Behinderung (GdB) rechtfertigen, so sind diese bei der Bildung des Gesamt-GdB jedenfalls dann jeweils erhöhend zu berücksichtigen, wenn die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen voneinander unabhängig wirken und verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens beeinträchtigen.
2. Einzelfall zur Bildung eines Gesamt-GdB bei mehreren Einzel-GdB (hier: Gesamt-GdB von 50 gebildet).
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. Dezember 2016 aufgehoben sowie der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 25. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2012 verpflichtet, bei der Klägerin mit Wirkung ab dem 7. Mai 2012 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten gerichtlichen Verfahrens in vollem Umfang zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des bei der Klägerin festzustellenden Grades der Behinderung (GdB).
Der Beklagte hatte 2010 bei der Klägerin einen Gesamt-GdB von 30 festgestellt. Dem hatte er folgende Behinderungen zugrunde gelegt:
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1. |
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psychische Störung, psychosomatische Erkrankung (Einzel-GdB von 30), |
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2. |
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Funktionsstörungen des Darmes (Einzel-GdB von 10), |
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3. |
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Bandscheibenschaden (Einzel-GdB von 10). |
Den Änderungsantrag der Klägerin vom 7. Mai 2012 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 25. Juni 2012 ab. Auf den Widerspruch der Klägerin setzte der Beklagte im Hinblick auf die Verschlimmerung des Darmleidens mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2012 den Gesamt-GdB auf 40 herauf. Er ging hierbei von folgenden Behinderungen aus:
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1. |
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psychische Störung, psychosomatische Erkrankung (Einzel-GdB von 30), |
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2. |
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Funktionsstörungen des Darmes (Einzel-GdB von 20), |
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3. |
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Bandscheibenschaden (Einzel-GdB von 10). |
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) Klage erhoben, mit der sie einen GdB von 50 geltend gemacht hat. Das Sozialgericht hat neben Befundberichten das Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin. Dr. S vom 22. März 2016 mit ergänzender Stellungnahme vom 23. November 2016 eingeholt, der den Gesamt-GdB auf 40 eingeschätzt hat. Der Sachverständige hat hierzu folgende GdB-relevante Einzelbehinderungen ermittelt:
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1. |
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Depression (Einzel-GdB von 30), |
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2. |
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Reizdarm, Fettleber (Einzel-GdB von 20), |
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3. |
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Verschleiß der Wirbelsäule, Bandscheibenleiden (Einzel-GdB von 10), |
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4. |
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Sprunggelenkknorpelschaden, operierte Verrenkung der Fußhebersehne rechts (Einzel-GdB von 20), |
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5. |
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Beeinträchtigung des Sehvermögens (Einzel-GdB von 10). |
Dem Gutachten folgend hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 13. Dezember 2016 abgewiesen. Mit der Berufung gegen diese Entscheidung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. Dezember 2016 aufzuheben sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 25. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2012 zu verpflichten, bei ihr mit Wirkung ab dem 7. Mai 2012 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagtenvertreter beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält einen Gesamt-GdB von 40 für ausreichend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Festsetzung eines Gesamt-GdB von 50 mit Wirkung ab dem 7. Mai 2012.
Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz zu bewerten. Hierbei sind die in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412), die am 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist, festgelegten “Versorgungsmedizinischen Grundsätze„ heranzuziehen.
Der Senat hat aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens die Überzeugung gewonnen, dass das psychische Leiden der Klägerin mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten ist. Die Klägerin leidet an einer Depression, die bereits als eine stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit anzusehen ist. Die Bewertung mit einem Einzel-GdB von 30 hält sich in dem von Teil B Nr. 3.7 der Anlage zu § 2 VersMedV vorgesehenen Rahmen.
Für die Darmbeschwerden der Klägerin ist nach der Überzeugung des Senats, der der Einschätzung durch den in der ers...