Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversagung wegen fehlender Mitwirkung. zulässige Klageart. Hinweispflicht der Behörde

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gegen die Versagung einer Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung ist grundsätzlich nur eine Anfechtungsklage zulässig (vgl BSG vom 17.2.2004 - B 1 KR 4/02 R = SozR 4-1200 § 66 Nr 1, vom 25.10.1988 - 7 RAr 70/87 = SozR 1200 § 66 Nr 13 und vom 24.11.1987 - 3 RK 11/87 sowie BVerwG vom 17.1.1985 - 5 C 133/81 = BVerwGE 71, 8).

2. Die Hinweispflicht der Behörde hinsichtlich der Folgen einer fehlenden Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts entfällt, wenn die Erfüllung der Hinweispflicht nach den Umständen des Einzelfalles ins Leere gehen würde (vgl BSG vom 31.1.1979 - 11 BA 129/78 = SozR 1500 § 160 Nr 34).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 05.04.2011; Aktenzeichen B 5 R 66/11 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Versagung einer Erwerbsminderungsrente wegen fehlender Mitwirkung.

Aufgrund eines auf die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XII) gerichteten Antrages der 1948 geborenen Klägerin ersuchte der zuständige Sozialhilfeträger die Beklagte am 13. Juli 2005 gemäß § 45 Satz 1 SGB XII um Prüfung der Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII. Beigefügt waren eine Erklärung der Klägerin über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht vom 14. Juni 2005 sowie diverse ärztliche Unterlagen, nämlich unter anderem ein Entlassungsbericht des W-Krankenhauses vom 27. Juli 1999 (Diagnose: Distaler Humerusdrehbruch rechts mit erheblicher Dislokation); ein Arztbrief des Klinikums B-B vom 1. September 1999 (Diagnose: trimalleoläre Sprunggelenksfraktur links, Zustand nach Oberarmfraktur rechts), ein Kurzbericht des A-V-Krankenhauses vom 11. Oktober 1999 (Diagnose: Bimalleoläre Fraktur links mit Abriss eines Volkmannschen Dreiecks und ein Entlassungsbericht des Auguste-Viktoria-Klinikums vom 29. April 2005 (Diagnose: akute Gallenkolik).

Am 23. August 2005 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte beauftragte den Arzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. M mit der Erstattung eines Gutachtens. Als die Klägerin nicht zu dem angesetzten Untersuchungstermin erschienen war, wies die Beklagte mit Schreiben vom 13. Oktober 2005 darauf hin, dass der Rentenantrag ohne ausreichende ärztliche Unterlagen nicht bearbeitet werden könne. Ferner bat sie um Mitteilung, welche Gründe einer Begutachtung entgegenstünden. Eine Belehrung über die Folgen fehlender Mitwirkung erfolgte durch Verweis auf einen beiliegenden Gesetzestext. Als die Klägerin nicht antwortete, lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit einem Bescheid vom 17. November 2005 wegen fehlender Mitwirkung ab.

Mit Schreiben vom 25. Dezember 2005 erkundigte sich die Klägerin nach dem Verbleib ihres Antrages auf Erwerbsminderungsrente und legte weitere ärztliche Unterlagen vor, nämlich einen vorläufigen Arztbericht des V-Klinikums AU vom 29. Juni 2005 (Diagnosen: Rippenfraktur links 5-7, Handgelenksprellung links, Schulterprellung links, Asthma) und einen Arztbrief des Vivantes-Klinikums Am Urban vom 12. Dezember 2005 (Diagnosen: Cholecystis, biliäre Pankreatitis, Choledocholithiasis, Stenose unklarer Dignität im DHC [Gallengang] mit Malignitätsverdacht), in dem es heißt, für den 12. Dezember 2005 sei eine Endosonographie und ein CT-Abdomen geplant gewesen. Die Patientin habe jedoch gegen den ärztlichen Rat, der auch die Aufklärung über alle Konsequenzen bis hin zum Tod umfasst habe, das Krankenhaus verlassen.

Daraufhin holte die Beklagte ein Gutachten des Arztes für Innere Medizin Dr. H vom 10. Juni 2006 ein. Dieser hatte die Klägerin am 23. März 2006 untersucht. Zu der daraufhin vom Sachverständigen angeordneten labortechnischen Untersuchung ist die Klägerin ohne Angabe von Gründen nicht erschienen. Auf der Grundlage der bis dahin erhobenen Befunde diagnostizierte der Sachverständige bei der Klägerin einen Zustand nach Cholezystis, Choledecocholithiasis und biliärer Pankreatitis, eine Stenose des Ductus Hepato-choledochus unklarer Dignität, eine Adipositas permagna, chronische Emphysembronchitis, Hörminderung und Visusminderung, Zustand nach multiplen Frakturen mit Restbeschwerden. Aus rein internistischer Sicht sei bisher keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit festzustellen. Wegen der nicht durchgeführten labortechnischen Untersuchung könnten jedoch keine Aussagen über die Lungenfunktionseinschränkung bei Emphysembronchitis und insbesondere über einen eventuell weiterhin suspekten abdominalen Befund getroffen werden.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 6. Juni 2006 erneut wegen fehlender Mitwirkung ab. Eine Leistungsbeurteilung sei nic...

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