Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des für die Entschädigung eines auf dem Bau erlittenen Arbeitsunfalls zuständigen Unfallversicherungsträgers
Orientierungssatz
1. Bei der Ermittlung des für die Entschädigung eines auf dem Bau erlittenen Arbeitsunfalls zuständigen Unfallversicherungsträgers zwischen nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten und solchen in Eigenleistung ausgeführten Bauarbeiten stellt § 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB 7 auf den zeitlichen Umfang der einzelnen Bauarbeiten ab. Maßgeblich ist die Bautätigkeit des nicht gewerbsmäßigen Helfers und nicht diejenige des Bauunternehmers.
2. Entscheidend für die Zuständigkeit ist, wieviel Tage auf die geplante Arbeit tatsächlich verwendet worden sind.
3. Gewerbsmäßig ist die Tätigkeit dann, wenn sie eine auf Dauer berechnete Erwerbsquelle darstellen soll.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 42.272,70 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht verurteilt wurde, als zuständiger Leistungsträger Aufwendungen für einen Unfall zu erstatten.
Das Landratsamt Oberallgäu in Sonthofen genehmigte am 11. August 2015 den Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage des Zeugen S. Der Zeuge übersandte die am 15. September 2015 bei der Klägerin eingegangene Baubeginnsanzeige sowie eine Bauherrnauskunft vom 5. Oktober 2015, in der angegeben wurde, dass der Bauherr/Ehegatte/eingetragener Lebenspartner die Installationsarbeiten durchführen werde.
Am 16. August 2016 teilte der Zeuge der Klägerin mit, dass der Bauhelfer M K am 12. August 2016 auf dem Heimweg von der Baustelle mit dem Motorrad tödlich verunglückt sei.
Die Klägerin veranlasste einen Eigenbau-Ermittlungsbericht vom 10. Oktober 2016 einschließlich eines Deckblatts zur Unfallerhebung, in dem 500 geplante, von Herrn K durchzuführende Helferstunden (Heizungs-, Lüftungs-, Sanitärinstallation) sowie 19 bis zum Unfall tatsächlich durchgeführte Helferstunden angegeben werden. Der Zeuge habe die Arbeiten nachfolgend in 180 Helferstunden selbst ausgeführt. Herr K habe für seine Tätigkeit kein Entgelt erhalten. In einem beigefügten Ergänzungsblatt des Betriebsprüfers B heißt es: „Der Verstorbene hätte für seine Tätigkeit Entgelt erhalten.“
Nach einem Aktenvermerk der Bearbeiterin K der Beklagten vom 26. Oktober 2016 scheide eine unternehmerähnliche Tätigkeit des Herrn K als gelernter Heizungs- und Lüftungsbauer aus, da die Planung zu dem Gewerk durch den Bauherrn erfolgt, das Material vom Bauherrn besorgt wurde, das Werkzeug vom Bauherrn gestellt worden sei und Herr K nicht frei in der Entscheidung der Ausführungen der Arbeiten gewesen sei sowie Anweisungen vom Bauherrn erhalten habe.
Mit Bescheid vom 16. Februar 2017 gewährte die Klägerin der Witwe des Verunglückten, der Zeugin K, in vorläufiger Zuständigkeit Sterbegeld und Überführungskosten, mit weiterem Bescheid vom 3. März 2017 Witwenrente sowie mit Bescheid vom 24. Februar 2017 der Tochter des Verstorbenen Waisenrente.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2017 meldete die Klägerin als erstangegangener Unfallversicherungsträger bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch an.
Mit Schreiben vom 18. September 2018 wies die Beklagte einen Erstattungsanspruch vom 15. Juni 2018 zurück, da ihre Zuständigkeit nicht ersichtlich sei. Bei der Tätigkeit des Herrn K habe es sich nicht mehr um kurzfristige, nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten gehandelt.
Nach weiterem Schriftverkehr zwischen den Beteiligten wies die Beklagte auf eine gerichtliche Klärung hin (Schriftsatz vom 7. Mai 2019).
Am 22. Oktober 2019 hat die Klägerin beim Sozialgericht Berlin Klage auf Erstattung der entstandenen Aufwendungen (bisher 47.272,70 Euro) erhoben. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung seien, soweit nach einem Arbeitsunfall die geplante Tätigkeit durch andere - gewerbsmäßig oder nicht gewerbsmäßig tätige - Arbeitskräfte nicht fortgesetzt werde, nur die bis zum Unfallzeitpunkt geleisteten Helferstunden zu berücksichtigen. Bei der Berechnung des zeitlichen Umfangs von Bauarbeiten seien nur die Arbeitsstunden des versicherten Helfers, jedoch nicht die des Bauherrn, zu berücksichtigen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte als für den Unfall vom 12. August 2016 zuständige Leistungsträgerin zur Erstattung der entstandenen Aufwendungen (bisher - 12. August 2016 - 17. Oktober 2019 - 42.272,70 Euro) zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ihre Zuständigkeit sei nur gegeben, wenn sich die Tätigkeit auf nicht mehr als fünf Arbeitstage erstrecke. Bei einem veranschlagten Arbeitsaufwand von 500 Stunden sei der Umfang von kurzen, nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten bei weitem überschritten. Der Umstand, dass bis zu dem Unfall erst 19 Stunden geleistet worden seien, könne die Zuständigkeit nicht begründen.
Mit Urteil vom 21. September 2020 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, als die für den Unfall vom 12. August 2016 zuständige Leistungsträger...