Entscheidungsstichwort (Thema)
Displaced Person (DP). Tätigkeit in DP-Lager 1946/48. Vormerkung von Beitragszeiten. Glaubhaftmachung. Versicherungspflicht. Beitragsabführung. kein Automatismus zwischen versicherungspflichtiger Beschäftigung und Beitragsabführung. Fremdrentenrecht: Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Beitragszahlung in die gesetzliche Rentenversicherung für die Tätigkeit von Displaced Person (DP) in DP-Lagern. Vermutung der Beitragstreue der Arbeitgeber in DP-Lagern - hier abgelehnt. Kein Automatismus zwischen versicherungspflichtiger Beschäftigung und Beitragsabführung
Orientierungssatz
Es kann auch bei einer Beschäftigung von Displaced Persons (DP) in DP-Lagern im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nicht unterstellt werden, dass eine Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung vorgenommen wurde. Vielmehr bestand gerade in den Nachkriegsjahren keine Gewähr für die flächendeckende Abführung von Rentenversicherungsbeiträge, gerade bei Beschäftigungsverhältnisses von auf ihre Ausreise wartenden Displaced Persons in Lagern unter internationaler Aufsicht.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens darüber, ob die Beklagte die Zeit von September 1946 bis Dezember 1948 als glaubhaft gemachte Beitragszeit vorzumerken und der Klägerin eine Altersrente zu gewähren hat.
Die 1921 geborene Klägerin erlitt als Angehörige des jüdischen Glaubens Verfolgung durch den Nationalsozialismus; sie erhielt Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz. Nach Beendigung des Krieges kam sie in das heutige Bundesgebiet und lebte überwiegend in Lagern für Displaced Persons (im Folgenden: DP), so von 1946 bis 1948 in S. Anfang 1949 wanderte die Klägerin nach Israel aus und nahm die israelische Staatsangehörigkeit an.
Im Februar 1994 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente und gab dabei an, von Oktober 1946 bis Dezember 1948 im DP-Lager S an der “B-B-School„ als Lehrerin gearbeitet und dafür ein Gehalt erhalten zu haben. Zur Glaubhaftmachung legte sie insbesondere einen Mitgliedsausweis der “Jewish Teachers Union in Germany„ vor, wonach sie der Vereinigung ab dem 3. Oktober 1946 angehört habe. Nachdem die von der Beklagten angestellten Ermittlungen erfolglos geblieben waren (Recherche im eigenen Kontenarchiv sowie Anfragen bei der Landesversicherungsanstalt Württemberg und der Allgemeinen Ortskrankenkasse S), lehnte diese den Antrag mit Bescheid vom 6. Mai 1994 ab, weil die behauptete Beitragszeit weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht sei. Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch betonte die Klägerin, in dem angegeben Zeitraum als Lehrerin tätig gewesen zu sein. Die Beklagte trat zunächst in weitere Ermittlungen ein - Beiziehung der Entschädigungsakten der Klägerin sowie ihres Ehemannes vom Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg, Anfragen bei der AOK S und beim Amt für Verteidigungslasten Rheinland-Pfalz - und wies den Widerspruch sodann mit Bescheid vom 28. November 1994 zurück. Für die Zeit von September 1946 bis Dezember 1948 sei eine Beitragsentrichtung weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Glaubhaftmachung liege vor, wenn die rechtserheblichen Tatsachen nach dem Ergebnis der Ermittlungen überwiegend wahrscheinlich seien. Im Falle der Klägerin sei schon die Dauer des behaupteten Beschäftigungsverhältnisses nicht belegt worden. Zudem lägen keine ausreichenden Merkmale für die begründete Annahme einer erfolgten Beitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung vor. Obwohl grundsätzlich von der Beitragstreue der Besatzungskostenämter, die die Beitragsabführung für die in den DP-Lagern beschäftigten Personen durchgeführt haben, auszugehen sei, bewirke selbst die immer wieder behauptete pauschale Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen nach Lohnsummen für den Einzelfall keine Beitragsentrichtung. Es müsse daher für jeden Einzelfall zur Anerkennung von Beitragszeiten das Beschäftigungsverhältnis und die Beitragsentrichtung nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht sein. Sämtliche Ermittlungen seien im Sande verlaufen. In der am 29. November 1946 in S ausgestellten “Deutschen Kennkarte„ sei als Beruf der Klägerin “Hausfrau„ angegeben gewesen. Ihr verstorbener Ehemann habe in seinem Entschädigungsverfahren am 2. November 1948 angegeben, dass die Klägerin im Haushalt arbeite und über kein eigenes Einkommen verfüge. In ihrem eigenen Entschädigungsverfahren habe die Klägerin ausgeführt, sich bereits Anfang 1948 nach München begeben zu haben, wo sie sich in ärztlicher Behandlung befunden habe. Die mit einem Ausweis belegte Mitgliedschaft in einer Lehrerorganisation sei kein Nachweis über die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung oder gar eine Beitragsentricht...