Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Merkzeichen G. erhebliche Gehbehinderung. Bewältigung der ortsüblichen Wegstrecke. Zumutbarkeit eines Rollators zum Abfangen eventueller Gangunsicherheiten. GdB. Funktionsbeeinträchtigungen. Medizinische Beweiswürdigung. Einschränkung des Gehvermögens. Rollator
Orientierungssatz
Kann der schwerbehinderte Mensch die ortsübliche Wegstrecke von etwa 2 Kilometern in 30 Minuten zu Fuß zurücklegen, so hat er keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens G. Dies gilt auch dann, wenn er hierzu nötigenfalls einen Rollator zu Hilfe nehmen muss, um eventuell auftretende Gangunsicherheiten abzufangen.
Normenkette
SGB IX § 2 Abs. 1, § 69 Abs. 1, 3-4, § 145 Abs. 1 S. 1, § 146 Abs. 1 S. 1; BVG § 30
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1941 geborene Kläger begehrt die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 80 sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen G und B.
Mit Bescheid vom 27. April 2006 hatte der Beklagte beim Kläger einen GdB von 60 festgestellt und dem folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde gelegt, wobei er von dem aus dem Klammerzusatz ersichtlichen jeweiligen Einzel-GdB ausgegangen war:
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a) |
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Psychische Behinderung mit ausgeprägten psychovegetativen und psychosomatischen Störungen (50), |
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b) |
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Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule (20), |
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c) |
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Hüftgelenksarthrose beidseitig (20), |
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d) |
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Krampfaderleiden (10), |
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e) |
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Nervenstörung der Beine (Restless-Leggs-Syndrom) (10), |
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f) |
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Bauchwandschwäche (10). |
Auf den Neufeststellungsantrag des Klägers vom 21. Mai 2012 wegen des Hinzutretens neuer Leiden unter Bezugnahme auf die Merkzeichen G und B holte der Beklagte Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte ein und stellte mit Bescheid vom 3. September 2012 beim Kläger einen GdB von 70 fest, wobei er von folgenden Funktionsbeeinträchtigungen ausging:
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a) |
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Depression, psychische Störungen (Neurosen), posttraumatische Belastungsstörung (50), |
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b) |
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Krampfaderleiden, Lymphstauung des Beines beidseitig (20), |
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c) |
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Bluthochdruck, Herzrhythmus-Störungen, Antikoagulantien-Therapie (20), |
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d) |
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Hüftgelenksarthrose beidseitig (20), |
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e) |
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Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule (20), |
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f) |
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Nervenstörung der Beine, Restless-Leggs-Syndrom (10), |
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g) |
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Diabetes mellitus (10), |
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h) |
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Bauchwandschwäche (10), |
Die Zuerkennung der Merkzeichen G und B lehnte der Beklagte indes ab. Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, ihm sei ein GdB von 100 zuzuerkennen. Weiterhin begehrte er die Merkzeichen G und B. Seines Erachtens müsse sein psychisches Leiden mindestens mit einem GdB von 80 bewertet werden. Ferner sei verkannt worden, dass bei ihm sämtliche Wirbelsäulenabschnitte betroffen seien und erhebliche Schmerzen verursachten. Auch das Hüftleiden halte er für unterbewertet. Überhaupt nicht berücksichtigt worden seien ein Knieleiden und Arthrose der Sprunggelenke und Füße sowie ein Prostataleiden. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2013 wies der Beklagte denn Widerspruch zurück.
Mit der am 29. Januar 2013 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und hierzu sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren vertieft. Nach Einholung von Befundberichten der den Kläger behandelnden Ärzte hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 14. Oktober 2014 die Klage abgewiesen.
Mit der hiergegen am 7. November 2014 eingelegten Berufung hat der Kläger sein Begehren auf Zuerkennung eines GdB von 100 und der Merkzeichen G und B vollumfänglich weiter verfolgt. Hierzu hat er insbesondere vorgebracht, das Sozialgericht habe seiner Aufklärungspflicht nicht genügt, insbesondere habe es weder Befundberichte des behandelnden Urologen bzw. der behandelnden Psychiaterin und Neurologin eingeholt noch eine Aufklärung durch gerichtlich veranlasstes Gutachten betrieben. Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. Oktober 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 3. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2013 zu verpflichten, bei ihm ab Mai 2012 einen Grad der Behinderung von 100 und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche mit Merkzeichen G und B festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie sowie Sportmedizin Prof. Dr. G, den der Senat damit beauftragt hat, ein Zusatzgutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. W R einzuholen. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 23. Februar 2016 ist der Sachverständige Prof. Dr. G im ersten Teil seines Gutachtens zu der Einschätzung gelangt, beim Kläger seien neurologische und psychische Ausfälle im Rahmen einer arterio-...