Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Zuerkennung des Merkzeichens "G"
Orientierungssatz
1. Für die Zuerkennung des Merkzeichen "G" ist es nicht ausreichend, wenn der Betroffene eine Wegstrecke von zwei Kilometern nicht mehr in einer halben Stunde zurücklegen kann. Das Gesetz fordert in §§ 145 Abs. 1 S. 1, 146 Abs. 1 SGB 9 darüber hinaus, dass Ursache der beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit eine Behinderung des schwerbehinderten Menschen sein und diese Behinderung dessen Gehvermögen einschränken muss.
2. Wirkt sich eine bestehende Funktionsstörung des linken Hüftgelenkes und der rechten unteren Extremität besonders negativ aus und sind beide Behinderungen mit einem GdB von insgesamt 50 zu bewerten, so hat der Betroffene Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "G". Gerade die Kombination von gehbehindernden Faktoren an beiden Seiten verstärkt eine bestehende Funktionsbeeinträchtigung.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. Juli 2011 geändert und der Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2009 verpflichtet, beim Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 3. Februar 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 1995 einen Grad der Behinderung von 50 und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen “G„ ab dem 1. Januar 2013 festzustellen.
Für das erstinstanzliche Verfahren findet eine Kostenerstattung nicht statt. Für das Berufungsverfahren hat der Beklagte dem Kläger die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung zu 2/3 zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zuerkennung eines Grad der Behinderung (GdB) von 50 und des Merkzeichens “G„.
Der Beklagte hatte zuletzt unter teilweiser Aufhebung vorangegangener Feststellungen auch zum Merkzeichen “G„ mit Bescheid vom 3. Februar 1994, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 1995, beim Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 und eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festgestellt und zugleich festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens “G„ nicht (mehr) vorlägen. Die danach festzustellenden Funktionsbeeinträchtigungen beim Kläger seien Herzleistungsminderung (GdB 30) und Funktionsstörung des rechten Fußes (GdB 20).
Am 19. Februar 2009 beantragte der Kläger die Neufeststellung. Gestützt auf Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte lehnte der Beklagte die Neufeststellung mit Bescheid vom 16. April 2009 ab, änderte jedoch die Bezeichnung der Funktionsstörungen. Danach lägen nunmehr vor: Herzleistungsminderung (GdB 30), Funktionsstörung der Wirbelsäule (GdB 20) und Funktionsstörung beider Beine (GdB 20). Hieran hielt der Beklagte auch mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2009 fest.
Mit der am 29. Juli 2009 erhobenen Klage hat der Kläger die Feststellung eines GdB von mindestens 50 und des Vorliegens der medizinischen Voraussetzungen für das Merkzeichen “G„ begehrt und hierzu ausgeführt, sein Wirbelsäulenleiden sei mit einem GdB von 20 zu gering bewertet, da in LWS und HWS mindestens mittelgradige Funktionseinschränkungen bestünden. Auch das Fußleiden sei mit 20 zu gering bewertet. Nach einem Unfall 1967 könne der rechte Fuß nur noch stützende Funktionen ausführen, hinzugetreten sei 2009 ein Achillessehnenabriss. Insoweit sei ein GdB von 30 zuzuerkennen. Schließlich könne der Kläger auch keinesfalls 2.000 Meter in 30 Minuten zurücklegen.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eins medizinischen Gutachtens des Sachverständigen Facharztes für Orthopädie und Chirurgie Dr. T. In dessen Gutachten vom 7. Januar 2011 ist der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, beim Kläger sei ein Gesamt-GdB von 40 angemessen, wenngleich eine Verschiebung der Gewichtung zu verzeichnen sei. Während ursprünglich das Herzleiden mit 30 zutreffend bewertet gewesen sei, habe insofern eine Besserung stattgefunden, die eine Bewertung gegenwärtig mit 10 gebiete. Dafür sei eine Hüftgelenkserkrankung und Achillessehnenruptur hinzugetreten. Die von der Versorgungsärztin des Beklagten mit 30 bewertete Funktionseinschränkung der Wirbelsäule sehe er so nicht.
Mit Urteil vom 13. Juli 2011 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Klage abgewiesen. In Auswertung des eingeholten Gutachtens hat es hierbei eine Funktionsstörung der LWS (20), des linken Hüftgelenks (20), des rechten Fußes (20) sowie eine Herzleistungsminderung (10) und ein leichtes Bluthochdruckleiden (10) angesetzt. Hingegen ist es ebenfalls in Auswertung des Gutachtens von einer freien Beweglichkeit der HWS, einer guten Einstellung des Diabetes-mellitus und einer Irrelevanz der Adipositas ausgegangen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28. Juli 2011 zugestellt worden.
Mit der am Montag, dem 29. August 2011 erhobenen Berufung hat der Kläger sein Begehren zunächst weiter verfolgt. Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach ...