Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Glukosemess-System (CGM-System). kontinuierliche Messung des Gewebezuckers bei Diabetes mellitus Typ 1. keine neue Behandlungsmethode. objektive Erforderlichkeit von Hilfsmitteln
Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch auf Versorgung mit einem Glukosemess-System (CGM-System) Hilfsmittel.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Versorgung mit einem Glukosemess-System (CGM-[= Continuous Glucose Monitoring]-System).
Sie ist 1971 geboren und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet an Diabetes Mellitus Typ 1. Zusätzlich erkrankte sie an Brustkrebs.
Am 7. April 2009 verordnete ihr die sie behandelnde Fachärztin für Innere Medizin/Diabetologie Dr. L aufgrund der Diagnosen “Diabetes mellitus Typ 1, Insulinpumpentherapie, Mammakarzinom sowie Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung (E 10.60G)„ eine Insulinpumpe M zur Insulinpumpentherapie sowie - hier streitgegenständlich - ein Glukosesensor-Starter-Set Nr. 1 mit Sensortechnologie für ein halbes Jahr.
Der Hersteller M reichte am 21. April 2009 bei der Beklagten einen Kostenvoranschlag u. a. für ein M REAL-Time Start-Paket, bestehend aus M und S Glukosesensoren über 1.188,81 € ein.
Der durch die Beklagte eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung MDK Berlin-Brandenburg e. V. (MDK) gelangte in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 18. Mai 2009 zu dem Ergebnis, dass das begehrte kontinuierliche Glukosemess-System in seiner Gesamtstrategie ein prinzipiell neues Verfahren ärztlicher Diagnostik sei, welches zu bewerten dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gemäß § 135 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) obliege.
Mit Bescheid vom 25. Juni 2009 lehnte die Beklagte daraufhin die Kostenübernahme für das Glukosemonitoringsystem ab. Die Kosten für die Insulinpumpe wurden in Höhe von 3.670,00 € übernommen.
Die Klägerin erhob Widerspruch und verwies zur Begründung u. a. auf die vorliegende Störung der Hypoglykämiewahrnehmung, das Dawn-Phänomen (von engl. dawn = Morgendämmerung, Blutzuckeranstieg in den frühen Morgenstunden) und ihre Hormonschwankungen. Aufgrund ihrer Brustkrebserkrankung und den daraus resultierenden Folgewirkungen der Chemo- und Strahlentherapie für die Blutzuckereinstellung bzw. die Auswirkungen auf den Gesamtorganismus bat sie in ihrem Einzelfall um erneute Prüfung. Es gehe um ein Vorbeugen der gefürchteten Diabetes-Spätschäden sowie um das Rückfallrisiko für ein Wiederauftreten des Brustkrebses. Beigefügt war ein Attest der sie behandelnden Onkologen vom 30. Juni 2009 (Praxis-Klinik K), wonach aus onkologischer Sicht ein kontinuierlich streng eingestellter Blutzucker medizinisch notwendig sei, um das Rückfallrisiko des Mammakarzinoms zu minimieren. Die Klägerin reichte weiter Auszüge aus Studien ein. Der MDK erstellte unter dem 19. August 2009 ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten nach Aktenlage: Abgesehen von dem Umstand, dass es keine abschließende Bewertung des kontinuierlichen Glukosemonitoringsystems durch den G-BA gebe, könne nicht erkannt werden, dass bei der Klägerin alle Möglichkeiten zur Optimierung der Stoffwechsellage bereits ausgeschöpft seien.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2009 zurück.
Hiergegen richtet sich die zunächst vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobene Klage vom 7. Dezember 2009. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, es bedürfe hier keiner Prüfung, ob der Einsatz des Gerätes als neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode hätte anerkannt werden müssen. Sie begehre das Gerät als Hilfsmittel. Sie habe an allen üblichen Diabetes-Typ 1-Schulungen inklusive Hypoglykämieschulungen teilgenommen. Ihre behandelnde Diabetologin Dr. L bescheinigte unter dem 3. August 2010, dass bei Klägerin eine vorbildliche Compliance vorliege und diese über exzellentes Wissen verfüge. Es sei keine weitere Schulung erforderlich. Die CGM-Geräte fungierten wie ein Warnsystem. Denn sie alarmierten den Patienten mit Hilfe eines akustischen Signals sowie eines Vibrationsalarms bei Annäherung an kritische Glukosewerte. Der Patient führe dann zum optimalen Zeitpunkt eine Messung des Blutzuckers durch. Durch die kontinuierliche Glukoseüberwachung könnten so Hypo- und Hyperglykämien vermieden werden, die durch die herkömmliche Blutzuckerselbstkontrolle nicht vermieden werden können. Mit Hilfe des Gerätes sei eine Kontrolle auch nachts möglich. Dies sei ein ganz erheblicher Vorteil gegenüber der konventionellen Blutzuckerselbstkontrolle. Denn selbst wenn der Patient sich nachts zu einer bestimmten Zeit wecken lasse, seien die so ermittelten Werte wenig verlässlich. Denn der punktuell gemessene Blutzuckerwert sage nichts darüber aus, ob und in welche Richtung der Zucker schwanke. Diese Information könne jedoch mit Hilfe der Messung der Gewebszuckerschwankungen durch das kontinuierliche Glukosemess-System ge...