Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialversicherung. Abgabepflicht setzt ua Unternehmen voraus. keine Förderung homosexueller Künstler. Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte. Künstlersozialabgabe. Christopher-Street-Day. Wesentlicher Zweck eines Unternehmens. Organisation von Veranstaltungen mit Künstlern. Politische Demonstration. Versammlungsfreiheit
Orientierungssatz
1. Die Abgabepflicht nach § 24 KSVG setzt nach dessen Abs 1 S 1 Nr 3 ua das Bestehen eines Unternehmens voraus. Ein solches ist dann anzunehmen, wenn der wesentliche Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer Werke oder Leistungen zu sorgen und wenn dabei Aufträge an selbständige Künstler erteilt werden.
2. Ist nach der Satzung eines eingetragenen Vereins eine Förderung homosexueller Künstler nicht erkennbar, so ist eine Abgabepflicht nach 24 KSVG unter dem Gesichtspunkt eines Verwerters ausgeschlossen.
3. Die Abgabepflicht eines Unternehmens, das Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte betreibt, setzt nach § 24 Abs 1 S 1 Nr 7 KSVG voraus, dass Öffentlichkeitsarbeit durch Aufbau und Pflege von Kommunikationsbeziehungen betrieben wird. Der Zweck, den in der Öffentlichkeit bestehenden Vorurteilen gegen Homosexuelle entgegenzuwirken, erfüllt diesen Tatbestand nicht.
Normenkette
KSVG § 24 Abs. 1 S. 1 Nrn. 3, 7, S. 2, Abs. 2; SGB IV § 28p Abs. 1a; GG Art. 8 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welcher diese selbst zu tragen hat.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist ein von der Beklagten im Rahmen der Prüfung der Zahlung der Künstlersozialabgabe nach § 28 p Abs. 1a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) ergangener Bescheid.
Der Kläger, ein gemeinnütziger eingetragener Verein, hat nach § 2 Abs. 1 seiner Vereinssatzung (Stand vor 2014) den Zweck, den in der Öffentlichkeit bestehenden Vorurteilen über Lesben, Schwule, Transsexuelle, Intersexuelle, Bisexuelle und Transvestiten entgegenzuwirken und deren Diskriminierung abzubauen, die Förderung der sexuellen Identität, der Ausgrenzung der Menschen mit HIV und AIDS zu begegnen, die Unterstützung von Menschen mit HIV und AIDS, insbesondere aus der homosexuellen Szene, Unterstützung solcher Menschen, die in Not geraten sind und Unterstützung von Opfern antihomosexueller Gewalt. Nach § 2 Abs. 2 der Satzung soll der Vereinszweck insbesondere durch öffentliche Veranstaltungen, Betreuung und Beratung von Menschen, die wegen ihrer sexuellen Identität diskriminiert werden, sowie durch gesellschaftliche Aufklärung verwirklicht werden.
Der Kläger veranstaltet einmal im Jahr am vierten Samstag im Juni in B den Christopher Street Day (CSD).
Der CSD besteht aus einer Parade durch die Innenstadt B ab zirka 12.00 Uhr und einer Abschlusskundgebung ab zirka 18.00 Uhr. Im Jahr 2006 nahmen an der Parade etwa 450 000 Personen teil.
Im Rahmen der Abschlusskundgebung findet ein Bühnenprogramm auf verschiedenen Bühnen statt. Dabei handelt es sich um Redebeiträge und ein künstlerisches Programm. Der zeitliche Anteil des künstlerischen Programms beträgt zwischen 25 und 40 %. Einige der auftretenden Künstler werden entlohnt. In den Jahren 2002 bis 2006 betrugen die Zahlungen hierfür 2 450,00 Euro (2002), 400,00 Euro (2003), 3 200,00 Euro (2004), 3 850,00 Euro (2005) und 5 348,00 Euro (2006).
Das Gesamtjahresbudget des Klägers betrug nach seinen Angaben in den Jahren 2002 bis 2006 inklusive aller Personalkosten jeweils etwa 180 000,00 Euro, die Kosten der Abschlusskundgebung jeweils etwa 80 000,00 bis 90 000,00 Euro.
Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 4. März 2008 die Abgabepflicht des Klägers nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG sowie eine Künstlersozialabgabe für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2006 in Höhe von insgesamt 763,34 Euro fest. Die Abgabepflicht sei festzustellen, weil der Kläger ein Unternehmen betreibe, dessen wesentlicher Zweck darauf gerichtet sei, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen und dabei Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteile.
Der Kläger erhob am 7. April 2008 Widerspruch. Er sei kein Unternehmen nach § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) und erst recht kein verkaufsorientiertes Unternehmen. Seine einzige Tätigkeit sei die Organisation und Durchführung des CSD. Die Demonstration dauere insgesamt zwölf Stunden. Davon bestünden drei Stunden im Bühnenprogramm, jeweils hälftig politische Reden und künstlerische Darbietungen. Auch werde nur eine Veranstaltung pro Kalenderjahr durchgeführt. Die Einnahmen würden zu ¾ durch Sponsorengelder gedeckt und zu ¼ durch die Vermietung der Getränke- und Essensstände zur Versorgung der Demonstrationsteilnehmer. Auch für seinen Internetauftritt zahle der Kläger nichts.
Die Beklagte wies...