Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Mitglieds eines nicht eingetragenen Vereins für geschuldete Gesamtsozialversicherungsbeiträge. wirtschaftlicher Verein. nichtwirtschaftlicher Verein. Abgrenzung

 

Orientierungssatz

1. Das Mitglied eines nicht in das Vereinsregister eingetragenen und damit nicht rechtsfähigen Vereins haftet für dessen Verbindlichkeiten nach § 54 S 1 BGB iVm den Regelungen des Gesellschaftsrechts, nach denen in entsprechender Anwendung des § 128 HGB als Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft als Gesamtschuldner persönlich und akzessorisch. Zu deren Verbindlichkeiten zählen ua geschuldete Gesamtsozialversicherungsbeiträge für Beschäftigte des Vereins.

2. Nach zivilgerichtlicher Rechtsprechung findet § 54 S 1 BGB auf einen nichtrechtsfähigen nichtwirtschaftlichen Idealverein keine Anwendung.

3. Bietet der nicht eingetragene Verein auf dem Markt planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen Entgelt an oder vertreibt er planmäßig und gegen Entgelt Wirtschaftsgüter, so handelt es sich um einen unternehmerischen Verein. Ob das hiermit erzielte Entgelt nur kostendeckend oder sogar verlustbringend ist, ist nicht von Bedeutung.

4. Dass eine solche unternehmerische Tätigkeit nicht in der Rechtsform des eingetragenen Vereins ausgeübt werden kann, ergibt sich unter Beachtung des gesetzlichen Zwecks, insbesondere des Gläubigerschutzes.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. September 2014 wird zurück-gewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungs-verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen

 

Tatbestand

Streitig ist die Haftung der Klägerin für rückständige Sozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen.

Die Klägerin war Gründungsmitglied des Vereins L. e. V. i. G. (im Folgenden: Verein). Der Antrag auf Eintragung in das Vereinsregister des Amtsgerichts Charlottenburg wurde abgelehnt, weil er nicht die Voraussetzungen des § 21 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erfüllte.

In § 1 der Satzung ist u. a. bestimmt:

“Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige und selbstlose Zwecke im Sinne der Abgabenordnung…da seine Tätigkeiten darauf gerichtet sind, die Allgemeinheit auf materiellen, geistigen und sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern….

... Mittel von L. e. V. werden nur für die satzungsgemäßen Zwecke verwendet. Die Mitglieder werden keine Gewinnanteile und in ihrer Eigenschaft als Mitglied auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln des Vereins erhalten. ...„

In § 2 der Satzung ist als Vereinszweck u.a. festgelegt:

“Der Zweck des Vereins ist die selbstlose, langfristige und nachhaltige Förderung der sozialen, gesellschaftlichen Integration und/oder Rehabilitation von Langzeitarbeitslosen, Sozialhilfeempfangenden Menschen und Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf Hilfe anderer angewiesen sind oder deren Bezüge nicht höher sind als das vierfache des Regelsatzes der Sozialhilfe im Sinne des § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch…

...

Der Verein ist selbstlos tätig, er verfolgt nicht in erster Linie wirtschaftliche Zwecke. Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts “Steuerbegünstigte Zwecke„ der Abgabenordnung.„

In § 3 der Satzung werden als Maßnahmen zur Zweckverwirklichung u. a. genannt:

“Zur Verwirklichung der unter § 2 angegebenen Zwecke des Vereins sind folgende Maßnahmen vorgesehen:

1. Erarbeiten und Bereitstellen von allgemeinverständlichem Informationsmaterial zu dem Thema “Sozialschwach„ sowie zu einzelnen Themenkomplexen aus diesem Bereich, wie z.B.:

...

2. Präsentation des Themas “Sozialschwäche/Betroffener und ihrer Familien„ bzw. einzelne Themenkomplexe aus dem Bereich soziale Schwäche in der Öffentlichkeit. ...

3. Aufbau eines “Hilfsnetzes„ unter Einbeziehung einer Kontaktbörse, Aufbau und Pflege derselben,

4. Vermitteln von Kontaktadressen/Kontakten ...

5. Einrichtung eines Informationsforums unter Aufrechterhaltung bestehender Kontakte und Ausbau ...

Im Kern war der Vereinszweck die Organisation von Selbsthilfemaßnahmen für Langzeitarbeitslose. Dafür unterhielt er drei Verkaufsläden, in denen im Wesentlichen gespendete Haushaltsgegenstände an Bedürftige verkauft wurden. Darüber hinaus wurden Maler- und Transportdienstleistungen auf dem Markt angeboten. Der Verein war von Dezember 2005 bis 9. November 2007 tätig. Am 16. Mai 2007 eröffnete das Amtsgericht Charlottenburg das Insolvenzverfahren ().

Im Februar 2007 beschäftigte der Verein noch 59 Arbeitnehmer. Bei der Bundesagentur für Arbeit wurde er hierfür unter der Betriebsnummer … geführt. Unter dieser Betriebsnummer hatte der Verein auch die Anmeldungen für die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer bei den Einzugsstellen, wie der Beklagten, vorgenommen. Die Beiträge wurden jedoch nur teilweise oder gar nicht gezahlt. Ausweislich des Gutachtens des in dem Verfahren zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vereins beauftragten Insolvenzverwalters vom...

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