Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Zuerkennung des Merkzeichens "G"

 

Orientierungssatz

1. Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "G" - erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr - hat der Schwerbehinderte, der infolge einer Einschränkung seines Gehvermögens eine Wegstrecke von etwa zwei Kilometern nicht in einer halben Stunde zurücklegen kann, vgl. BSG, Urteile vom 10. Dezember 1987, 9a RVs 11/87.

2. Hierzu ist erforderlich, dass bei ihm auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und / oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen.

3. Die Zuerkennung des Merkzeichens "G" kann darüber hinaus auf innere Leiden gestützt werden. Die entsprechenden Voraussetzungen sind gegeben u. a. bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades, vgl. BSG, Urteil vom 13. August 1997 - 9 RVs 1/96.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. September 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).

Die 1949 geborene Klägerin, bei der 2004 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt worden war, beantragte bei dem Beklagten am 7. Juli 2006 die Heraufsetzung des GdB und die Zuerkennung des Merkzeichens “G„. Nach versorgungsärztlicher Auswertung der eingeholten Befundberichte lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 29. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2007 sowohl die Erhöhung des GdB als auch die Anerkennung des Merkzeichens “G„ ab. Dieser Entscheidung legte er die folgenden (verwaltungsintern mit den aus den Klammerzusätzen ersichtlichen Einzel-GdB bewertete) Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:

a) Leberzirrhose bei Genussmittelmissbrauch (30),

b) Bauchwandhernie, mehrfach operativ behandelt, Rezidivblutung (20),

c) Wirbelsäulen-Funktionsstörungen (20),

d) Ulcus ulnaris Syndrom, zweimal operative Behandlung (10),

e) Diabetes mellitus (10),

f) Bluthochdruck, rezidivierende Herzrhythmusstörungen (10),

g) Verlust der Milz (10).

Mit der bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin die Zuerkennung des Merkzeichens “G„ begehrt.

Das Sozialgericht hat neben Befundberichten das Gutachten des Allgemeinmediziners Dr. L vom 30. Dezember 2009 eingeholt, der nach Untersuchung der Klägerin den Gesamt-GdB auf 70 eingeschätzt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens “G„ jedoch verneint hat. Dem Gutachter folgend hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 20. September 2010 abgewiesen

Mit der Berufung gegen diese Entscheidung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie verweist unter Einreichung medizinischer Unterlagen darauf, dass ihr Gehvermögen insbesondere durch die erhebliche und offenbar irreparable Bauchwandschwäche negativ beeinflusst werde.

Der Senat hat das Gutachten des Allgemeinmediziners Dr. B vom 21. Januar 2012 eingeholt, der nach Untersuchung der Klägerin eine die Zuerkennung des Merkzeichens “G„ rechtfertigende Einschränkung des Gehvermögens verneint hat.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. September 2010 aufzuheben sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 29. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2007 zu verpflichten, bei ihr ab dem 7. Juli 2006 das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des Merkzeichens “G„ festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage mit der angegriffenen Entscheidung zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 29. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn sie hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "G".

Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Merkzeichens "G" sind bei der Klägerin nicht erfüllt.

Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, Anspruch auf unentgeltliche Beförderung. Über das Vorliegen der damit angesprochenen gesundheitlichen Merkmale treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs....

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