Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. abschließende Feststellung des Leistungsanspruchs nach vorläufiger Entscheidung. Bildung eines monatlichen Durchschnittseinkommens. Ausnahme bei Wegfall des Leistungsanspruchs für mindestens einen Monat. Anwendbarkeit auf Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit
Orientierungssatz
1. Die Bildung eines monatlichen Durchschnittseinkommens bei der abschließenden Entscheidung nach § 41a Abs 4 S 1 SGB 2 erfolgt unabhängig vom Grund der Vorläufigkeit, erfasst alle Einkommensarten und alle Monate des Bewilligungszeitraums (vgl BSG vom 11.7.2019 - B 14 AS 44/18 R = SozR 4-4200 § 41a Nr 2).
2. Die Rückausnahme des § 41a Abs 4 S 2 Nr 2 SGB 2 ist als Ausnahme vom alle Einkommensarten umfassenden Grundsatz des § 41a Abs 4 S 1 SGB 2 auch auf Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit anwendbar. Die Regelung des § 3 Abs 4 AlgIIV 2008 wird als Verordnungsrecht von § 41a SGB 2 als lex specialis verdrängt.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. März 2018 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der erste Absatz des Tenors des angefochtenen Urteils wie folgt neu gefasst wird:
Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 10. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2016 verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 1. März 2016 bis 30. Juni 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der vorläufig bewilligten Höhe zu gewähren. Der Erstattungsbescheid vom 10. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2016 wird aufgehoben, soweit der Beklagte darin eine Erstattung von mehr als 1.668,58 € fordert.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist noch der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld II (Alg II) in den Monaten März bis Juni 2016, insbesondere das bei der abschließenden Entscheidung zugrunde zu legende Einkommen aus selbständiger Tätigkeit.
Der Beklagte bewilligte dem freiberuflich als Kameramann und Drehbuchautor tätigen, 1969 geborenen, allein lebenden Kläger für die Zeit vom 1. März 2016 bis 31. August 2016 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) i.H.v. mtl. 834,29 € (Regelleistung mtl. 404,- €; Mehrbedarf für dezentrale Warmwasseraufbereitung mtl. 9,29 €; Kosten der Unterkunft und Heizung ≪KdUH≫ mtl. 421,- €) ohne Einkommensanrechnung (Bescheid vom 18. Februar 2016).
Der Kläger erzielte im Juli 2016 (Zufluss am 8. Juli 2016) Einkünfte aus Honorarzahlungen i.H.v. 10.500,- €.
Im Rahmen der abschließenden Entscheidung (Bescheid vom 10. November 2016) für die Zeit von März bis August 2016 setzte der Beklagte Alg II i.H.v. „0,00“ € fest („Nullfeststellung“), wobei er ein Durchschnittseinkommen im Bewilligungszeitraum bildete und einen mtl. Gewinn i.H.v. 1.723,47 € ermittelte. Mit weiterem Bescheid vom 10. November 2018 forderte der Beklagte Erstattung eines Betrages i.H.v. 5.005,74 €. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2016)
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat auf die Klage die Bescheide vom 10. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom „14. Februar 2017“ aufgehoben, soweit mit ihnen „Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 01.03.2016 bis zum 30.06.2016 aufgehoben und ein Betrag von mehr als insgesamt 1.668,58 € zur Erstattung festgesetzt wird“, und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 7. März 2018). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei als Anfechtungsklage im tenorierten Umfang teilweise begründet. Die endgültige Bewilligung sei für die Monate März bis Juni 2016 rechtswidrig, weil insoweit eine monatsweise Betrachtung hätte erfolgen müssen und in dieser Zeit kein Einkommen zugeflossen sei. Grundsätzlich sei zwar bei der abschließenden Feststellung ein Durchschnittseinkommen gemäß § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II in der hier anwendbaren, seit 1. August 2016 geltenden Fassung zugrunde zu legen. Vorliegend greife aber die Ausnahmeregelung in § 41a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB II, wonach ein Durchschnittseinkommen nicht zu bilden sei, soweit der Leistungsanspruch - wie hier - in mindestens einem Monat des Bewilligungszeitraums durch das zum Zeitpunkt der abschließenden Feststellung nachgewiesene zu berücksichtigende Einkommen entfalle. Das im Juli 2016 zufließende Honorar wäre nach der bis 31. Juli 2016 geltenden Rechtslage nach § 11 Abs. 3 SGB II auf sechs Monate aufzuteilen gewesen, so dass der Leistungsanspruch für Juli und August 2016 entfallen sei, nicht hingegen für März bis Juni 2016. Die endgültige Bewilligung für März bis Juni 2016 sei daher rechtswidrig und der Bescheid insoweit ebenso wie der Erstattungsbescheid aufzuheben gewesen.
Mit der Berufung wendet sich der Beklagte gegen den klagestattgebenden Urteilsausspruch und rügt eine Verletzung von § 41a Abs. 4 SGB II. D...