Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. örtliche Zuständigkeit. ambulant betreutes Wohnen

 

Leitsatz (amtlich)

Maßgeblich für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ist, ob die Wohnform als solche eine Form des betreuten Wohnens ist, nicht ob der Betroffene die in dieser Wohnform angebotenen Teilhabeleistungen auch in Anspruch nimmt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.06.2016; Aktenzeichen B 8 SO 6/15 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. März 2013 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Leistungsfall G E H, geb. 1940 in L (P), in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.660,61 Euro - für zugunsten der Hilfeempfängerin G E H in der Zeit vom 1. April 2009 bis zum 31. Oktober 2010 aufgewendete Sozialhilfe - zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen der Kläger ¼ und die Beklagte 3/4.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten mit der Berufung noch die Zahlung von 24.660,61 Euro für in der Zeit vom 1. April 2009 bis 31. Oktober 2010 für Frau G E H - Hilfeempfängerin (HE) - aufgewendete Mittel der Sozialhilfe sowie die Übernahme des Leistungsfalls der HE in die Zuständigkeit der Beklagten.

Die 1940 in P geborene, geistig behinderte HE lebte in der Zeit vom 4. Dezember 1973 bis zum 27. Februar 2005 in der Landeshauptstadt P. Sie leidet an der Alzheimer-Krankheit, hat einen GdB von 100 und besitzt seit März 1999 die Pflegestufe III. Am 27. Februar 2005 zog sie in ein von ihr angemietetes Zimmer in der Wohngemeinschaft für demenzerkrankte Menschen in der F Straße in N.

In dem Gebäude F Straße leben 18 an Demenz erkrankte Menschen in drei Wohngemeinschaften zu sechs Personen, die jeweils Einzelmietverträge geschlossen haben und die vom Verein V B e.V. - Sozialstation N - gepflegt und rund um die Uhr ambulant betreut werden. Die Hilfeempfängerin schloss mit dem Verein am 4. März 2005, beginnend am 28. Februar 2005, einen “Pflegevertrag„. Gemäß § 3 (“Leistungsumfang„) des Pflegevertrags ergeben sich Art, Inhalt und Umfang der zu erbringenden Leistungen aus der dem Vertrag als Anlage 1 beigefügten Leistungs- und Vergütungsvereinbarung. Nach dieser werden folgende Leistungen erbracht: Leistungskomplex (LK) 1 (kleine Körperpflege), LK 2 (große Körperpflege), LK 3 (Unterstützung bei Ausscheidungen - kleine Hilfe -), LK 4 (Unterstützung bei Ausscheidungen - erweiterte Hilfe -), LK 5 (Lagerung/Betten), LK 6 (Haarewaschen), LK 7 (Hilfe bei der Nahrungsaufnahme), LK 8 (Sondenkost bei implant. Magensonde), LK 10 (Begleitung bei Aktivitäten - “bei Bedarf„), LK 12 (Grundreinigung der Wohnung), LK 13 (Teilreinigung der Wohnung), LK 14 (Wechsel/Waschen der Wäsche und Kleidung), LK 16 (Vorratseinkauf), LK 17 (Besorgung).

Am 3. März 2005 (Formantrag 15. März 2005) beantragte die HE beim Kläger Sozialhilfe in der Form der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII. Der Kläger gewährte der HE ab März 2005 Leistungen der Hilfe zur Pflege gemäß §§ 61 ff. SGB XII, von denen er aufgrund vorhandenen Vermögens der Hilfeempfängerin mit bestandskräftig gewordenem Bescheid im Wesentlichen die Leistungen für die Zeit bis Ende 2006 zurückforderte (Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 29. Januar 2008, Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2009). In der Zeit von Februar 2008 bis März 2009 kam die HE erneut selbst für die Pflegekosten auf.

Für den Zeitraum von Januar 2007 bis Januar 2008 und wieder ab April 2009 bis Oktober 2010 gewährte der Kläger der Hilfeempfängerin Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII i.H.v. 46.675,37 Euro und zwar in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Januar 2008 insgesamt 22.014,76 Euro, in der Zeit vom 1. April 2009 bis 31. Oktober 2010 unter Anrechnung von Einnahmen 24.660,61 Euro.

Die Leistungsgewährung erfolgte zuletzt mit Bescheid vom 8. September 2009, mit dem der HE vorläufig gemäß § 43 SGB I Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff. SGB XII ab 1. April 2009 bewilligt wurde, und mit Bescheid vom 30. September 2010, mit dem der Kläger der HE vorläufig gemäß § 43 SGB I Leistungen gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ab dem 1. Oktober 2010 bewilligte. Gewährt wurden ihr die Leistungskomplexe LK 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und LK 12-19 täglich bzw. wöchentlich und LK 8 (Sonderkost bei implantierter Magensonde) und LK 10 (Begleitung bei Aktivitäten) “bei Bedarf„.

In der Zeit davor hatte der Kläger der HE mit Bescheid vom 7. Juli 2005 “zusätzliche Pflegesachleistungen gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII„ mit denselben LK für die Zeit ab 15. März 2005 gewährt. Mit - bestandskräftigen - Bescheiden vom 29. Januar 2008 sind diese Leistungen in Höhe von 20.109,52 Euro zurückgefordert und die Leistungserbringung ab 1. Februar 2008 eingestellt worden.

Mit Schreiben vom 28. und 29. Januar 2008 bat der Kläger die Beklagte um Übernahme des Leistungsfalls G E H in die eigene Zuständigkeit und um Kostenerst...

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