Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsmittel. Klagefrist. Einzugsstelle. Beteiligter. Rentenversicherungspflicht. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Fremdgeschäftsführer einer GmbH. Familienunternehmen
Leitsatz (amtlich)
Die Monatsfrist des § 87 Abs 1 S 1 SGG gilt auch gegenüber einem Rentenversicherungsträger nur, wenn der angefochtene Bescheid ihm gegenüber die richtige Rechtsmittelbelehrung enthält.
Orientierungssatz
Bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH ist regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zB dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2008 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Beigeladene zu 3) in ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 4) ab dem 01. Juni 2003 der Rentenversicherungspflicht nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI unterliegt.
Die Berufung der Beigeladenen zu 3) wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Beklagte hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht die Rentenversicherungspflicht der Beschäftigung der Beigeladenen zu 3) im Unternehmen ihres Ehemannes, der Beigeladenen zu 4) seit dem 01. Juni 2003,
Die Beigeladene zu 3) ist gelernte Friseurmeisterin. Sie ist seit 1998 mit dem Inhaber der Beigeladenen zu 4) verheiratet. Gegenstand des Unternehmens ist eine Motorenzylinder-Schleiferei. Der Ehemann hatte diesen Betrieb, bestehend aus einem Betriebsgelände mit Gebäuden und Inventar, mit Hilfe eines Darlehens über 20 000,00 DM gekauft, welches ihm seine Ehefrau gewährte. Diese übernahm ferner Bürgschaftsverpflichtungen, gegenüber Dritten für die Erfüllung von Verbindlichkeiten des Unternehmens einzustehen, 1998 bezüglich Verbindlichkeiten über 260 000,00 DM und 2006 bezüglich einer Verbindlichkeit von 145 000,00 €. Wegen der Geburt des gemeinsamen Sohnes 1998 war zwischen ihr und ihrem Ehemann nie daran gedacht worden, sie am Betrieb zu beteiligen, etwa durch Gründung einer Gesellschaft.
Sie ist aufgrund einer vor dem 01. Januar 1994 getroffenen mündlichen Abrede im Betrieb ihres Ehemannes beschäftigt. Vereinbart wurde eine Kündigungsfrist von vier Wochen, ein Anspruch auf Urlaub für 30 Arbeitstage im Jahr sowie auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für sechs Wochen.
Sie ist im Betrieb für die Buchführung, die Büroorganisation, den Einkauf und die Beschaffung der in der Werkstatt benötigten Ersatzteile sowie für Abschluss und Kündigung der Arbeitsverträge zuständig. Sie erhält aktuell ein monatliches Entgelt in Höhe von 3 168,00 € brutto, das bei der Beigeladenen zu 4) als Betriebsausgabe verbucht wird und für das Lohnsteuer entrichtet wird. Sie erhält ferner Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
Mit Schreiben vom 09. November 2005 bat die Beigeladene zu 3) beim Rechtsvorgänger der Beklagten, der Taunus BKK, um “Überprüfung und rechtsverbindliche Beurteilung„ eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in der Firma ihres Ehemannes. Beigefügt war ein von ihr sowie der Beigeladenen zu 4) ausgefüllter Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen. Angegeben war u. a., dass es sich bei dem Betrieb der Beigeladenen zu 4) nicht um eine Personen- oder Kapitalgesellschaft handele, dass die Beigeladene zu 3) nicht wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert sei, ihre Tätigkeit frei gestalten könne und aufgrund besonderer Fachkenntnisse in der Finanz- und Personalverwaltung des Betriebes mitwirke. Sie sei zuständig für den kompletten kaufmännischen Bereich des Betriebes.
Mit Bescheid vom 23. November 2005 stellte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen zu 3) fest, dass diese seit dem 01. Juni 2003 (Mitgliedschaftsbeginn) in ihrer Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 4) nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege. Der Bescheid enthält die Rechtsbehelfsbelehrung, es könne Widerspruch eingelegt werden, und ging bei der Klägerin am 21. Februar 2006 ein.
Diese forderte von der Beklagten mit Schreiben vom 01. April 2006 Unterlagen an. Mit Schreiben vom 12. Mai 2006, 16. Juni 2006 und 07. Juli 2006 forderte sie die Beklagte zur Aufhebung des Bescheides auf, da sie die Rechtsauffassung nicht teile.
Die Beigeladene zu 3) selbst forderte die Klägerin mit Schreiben vom 14. Juli 2006 auf, Beiträge zu erstatten. Ausweislich eines Telefonvermerkes teilte diese den Bevoll...