Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht: Anforderung an den Umfang einer Gehbehinderung als Voraussetzung der Zuerkennung der Merkzeichen “G„ und “B„
Orientierungssatz
1. Eine Funktionsbeeinträchtigung der unteren Gliedmaßen, die mit einem GdB von höchstens 30 zu bewerten ist (hier: Funktionsminderung nach Unterschenkel- und Fußfraktur) und insbesondere die Fortbewegung des Betroffenen nicht schwerwiegend einschränkt, rechtfertigt nicht die Zuerkennung eines Merkzeichens „G” für besondere Gehbehinderung.
2. Einzelfall zur Zuerkennung des Merkzeichens „G” für besondere Gehbehinderung (hier: abgelehnt).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. Mai 2012 wird zurückgewiesen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten vorliegend noch über das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen “G„ und “B„.
Mit Bescheid vom 23. Januar 2008 stellte der Beklagte bei dem im Jahre 1961 geborenen Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 fest. Dem legte er, wie sich aus der gutachterlichen Stellungnahme des Facharztes für Arbeitsmedizin Dr. K ergibt, folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde (zugrunde gelegte Einzel GdB in Klammern):
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Alkoholkrankheit mit Folgeerscheinungen |
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(50) |
Chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse, Fettleber, Verlust der Gallenblase, Pankreaskopfresektion |
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(40) |
Funktionsminderung der linken unteren Gliedmaße nach Fraktur und bei Verschleiß |
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(30) |
Funktionsminderung der oberen Gliedmaße |
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(20) |
Merkzeichen erkannte der Beklagte nicht zu.
Am 22. Februar 2010 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Neufeststellung wegen Verschlimmerung bestehender Behinderungen und Hinzutreten neuer Behinderungen. Er beantragte auch die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Merkzeichens “G„. Er habe vor 30 Jahren einen Unfall mit einer Unterschenkelfraktur und einer Mittelfußversteifung links erlitten. Er habe nun im linken Bein dauerhafte Gehbeschwerden und benötige orthopädisches Schuhwerk und einen Gehstock. Der Beklagte holte Befundberichte der behandelnden Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. Fund der Ärztin für Innere Medizin Dr. Lein. Unter Bezugnahme auf eine gutachterliche Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. H lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 27. Juli 2010 ab.
Am 8. November 2010 stellte der Kläger erneut einen Neufeststellungsantrag hinsichtlich des Grades der Behinderung und auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Merkzeichens “G„. Der Beklagte holte wiederum einen Befundbericht der Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. eig und eine versorgungsmedizinische Stellungnahme des Arztes Dr. R ein. Mit Bescheid vom 11. März 2011 lehnte der Beklagte eine Neufeststellung des Grades der Behinderung und Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Merkzeichens “G„ ab.
Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 17. März 2011, in dem dieser vortrug, dass sich der Zustand seines Beines verschlechtert habe, wies der Beklagte nach Einholung eines ärztlichen Gutachtens durch den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2011 zurück.
Der Kläger hat am 16. November 2011 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben und die Zuerkennung des Merkzeichens “G„ geltend gemacht. Sein Gesundheitszustand habe sich verschlimmert, besonders im Bereich des linken Beines und Fußes. Er traue sich allein kaum noch auf die Straße, weil er Angst habe mit seinem linken Fuß umzuknicken oder hinzufallen. Seine Abwehrkräfte seien sehr angegriffen.
Am 9. Februar 2012 stellte Kläger bei dem Beklagten einen Neufeststellungsantrag hinsichtlich der Feststellung eines höheren GdB und des Vorliegens der Merkzeichen “B„, “G„ und “RF„.
Das Sozialgericht Berlin hat mit Gerichtsbescheid vom 2. Mai 2012 die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen bzw. der Lendenwirbelsäule des Klägers keinen GdB von wenigstens 50 bedingen.
Gegen den ihm am 8. Mai 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 31. Mai 2012 2012 Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass weder durch Befunde noch durch eine Untersuchung bestätigt sei, dass er zwei Kilometer innerhalb von etwa 30 Minuten zurücklegen könne.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2012 hat der Beklagte für den Kläger einen Grad der Behinderung von 90 festgestellt und die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Eintragung der Merkzeichen “B„, “G„ und “RF„ abgelehnt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B. Dieser schlug in seinem am 15. April 2013 erstellten Gutachten einen GdB von 70 vor und ...