Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Zuerkennung des Merkzeichens “G„ bei Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit. Bewegungseinschränkung aufgrund von Angstzustände als Grund der Zuerkennung des Merkzeichens “G„
Orientierungssatz
1. Beeinträchtigungen der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr, die ihre Ursache allein in Angstzuständen haben (hier: posttraumatische Belastungsstörung), begründen für sich genommen nicht die Zuerkennung eines Merkzeichens “G„ bei einem Betroffenen (Anschluss LSG Hamburg, Urteil vom 3. Juli 2012, Az.: L 3 SB 6/09).
2. Einzelfall zur Feststellung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens “G„ bei einem schwerbehinderten Menschen (hier: verneint).
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten sind die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches “G„ (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr - erhebliche Gehbehinderung -) i.S. des Sozialgesetzbuchs - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) streitig.
Bei der am … 1964 geborenen Klägerin hatte das Landratsamt Karlsruhe (LRA) zuletzt seit dem 14.05.2008 einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 anerkannt (Bescheid vom 15.09.2008). Dem zugrunde lag eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. B..
Am 18.12.2012 stellte die Klägerin beim LRA einen Antrag auf Neufeststellung.
Mit Bescheid vom 28.02.2013 stellte das LRA einen GdB von 50 seit 18.12.2012 unter Berücksichtigung folgender Funktionsbeeinträchtigungen fest:
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seelische Störung, Kopfschmerzsyndrom |
Teil-GdB 30 |
Bronchialasthma |
Teil-GdB 20 |
degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, |
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Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, |
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Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten |
Teil-GdB 30 |
Funktionsbehinderung des linken Ellenbogengelenks |
Teil-GdB 10. |
Hiergegen legte die Klägerin am 28.03.2013 Widerspruch ein und stellte zugleich den Antrag, ihr den Nachteilsausgleich “G„ zuzuerkennen. Hierzu holte das LRA einen Befundbericht des Orthopäden Dr. B. sowie des Facharztes für Allgemeinmedizin/Internisten Dr. A. ein. Gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. K. vom 29.06.2013 lehnte das LRA den Antrag auf Feststellung des gesundheitlichen Merkzeichens “G„ ab (Bescheid vom 14.08.2013).
Gegen die Ablehnung der Zuerkennung des Merkzeichens “G„ legte die Klägerin am 12.09.2013 Widerspruch ein. Eine Lungenentzündung sowie ein Magengeschwür seien nicht berücksichtigt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2013 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.02.2013 auf Feststellung eines höheren GdB zurück. Der festgestellte GdB von 50 entspreche den in den beigezogenen Befunden dargestellten Organ- und Funktionsstörungen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2014 wies der Beklagte auch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.08.2013 auf Zuerkennung des Merkzeichens “G„, gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. K., zurück.
Mit der am 20.02.2014 erhobenen Klage zum Sozialgericht Karlsruhe verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 28.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2013 zu verpflichten, bei ihr einen höheren Grad der Behinderung als 50 festzustellen, sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 14.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2013 zu verurteilen, ihr ab dem 23.03.2013 den Nachteilsausgleich “G„ zuzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Schreiben vom 14.11.2014 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, es erwäge eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die kombiniere Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 und 3 SGG im Hinblick auf die Feststellung eines höheren GdB als 50 bereits unzulässig (dazu 1.), im Hinblick auf die Zuerkennung des Merkzeichens “G„ unbegründet (dazu 2.). Hierüber konnte die Kammer gemäß § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil sie der Auffassung ist, die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt.
1.
Die Klage auf Feststellung eines höheren GdB als 50 ist bereits unzulässig.
a)
Eine Klage ist gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides (§ 87 Abs. 2 SGG). Mit der am 20.02.2014 erhobenen Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom ...