Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Übergangsrecht. ehemalige DDR. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 4202. arbeitstechnische Voraussetzungen. Vollbeweis. ionisierende Strahlung. ehemaliger Wehrdienstpflichtiger der Nationalen Volksarmee
Orientierungssatz
1. Tritt bei einem ehemaligen Wehrdienstpflichtigen der Nationalen Volksarmee der DDR nach dem 31.12.1991 eine Berufskrankheit auf, die infolge des Wehrdienstes entstanden ist, so gelten nach § 215 Abs 1 S 3 SGB 7 die Vorschriften dieses Buches.
2. Zur Anerkennung der Berufskrankheit Nr 2402 BKV müssen die arbeitstechnischen Voraussetzungen, eine Schädigung durch ionisierende Strahlung, im Vollbeweis, dh mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen.
3. Erforderlich ist der Nachweis, dass der Betroffene einer Strahlendosis durch Ganz- oder Teilkörperbestrahlung, Kontamination oder Inkorporation ausgesetzt war, die geeignet ist, eine Strahlenerkrankung hervorzurufen.
4. Können die Empfehlungen des Radarkommissionsberichts - Bericht der Expertenkommission zur Frage der Gefährdung durch Strahlen in früheren Radareinrichtungen der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee - vom 4.3.2004 nicht im Vollbeweis festgestellt werden, so ist der Nachweis der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Feststellung der Berufskrankheit Nr 2402 BKV nicht geführt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung seiner Nierenkrebserkrankung und dadurch bedingter Folgeerkrankungen als Berufskrankheit (BK) Nr. 2402 (Erkrankungen durch ionisierende Strahlen) der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1955 geborene Kläger leistete in der ehemaligen DDR nach einer Ausbildung zum Elektromonteur in der Zeit von Mai 1974 bis Oktober 1975 seinen Grundwehrdienst bei der ehemaligen Nationalen Volksarmee (NVA), wo er in der funktechnischen Kompanie in D als Funkorter/Operator am Radargerät P-12, im Mai 1986 als Reservist für fünf Tage am Radargerät P-18 eingesetzt war.
Im August 1995 wurde bei ihm neben einer Sarkoidose ein Nierenzellkarzinom diagnostiziert, am 24. August 1995 wurde ihm deshalb die linke Niere entfernt.
Im September 2001 wandte er sich an die Wehrbereichsverwaltung „in Sachen Folgen der Tätigkeit an Radargeräten“, die den Vorgang an die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung als Vorgängerin der Beklagten weiterleitete. Übermittelt wurde u. a. eine „Zeugenliste Funktechnische Kompanie D“, Ablichtungen des Wehrdienstausweises, des Sozialversicherungsausweises und medizinische Unterlagen.
Die Vorgängerin der Beklagten holte einen Befundbericht des DM A H vom 12. Januar 2002 ein und wandte sich an die Wehrbereichsverwaltung (WBV) Ost u. a. mit der Bitte, die Expositionsermittlungen durchzuführen und, soweit noch möglich, Messungen durchzuführen bzw. frühere Messprotokolle zu übermitteln. Die Ermittlung der Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen sei nach einer sogenannten „Worst-Case-Bewertung“ vorzunehmen. Der Kläger hatte hierzu unter dem 24. Februar 2002 einen Fragebogen ausgefüllt, in dem er auf die Frage 13: „Waren Sie an geöffneten und eingeschalteten Radaranlagen eingesetzt, die keine Abschirmung vor den Röntgenstrahlen besaßen? Wie oft erfolgten diese Einsätze und auf wessen Befehl?“ geantwortet: „Zum Test ja, der Funkorterplatz war im Senderöhrenraum. Wie oft: nicht mehr bekannt, Vorgesetzten, Stationsleiter“. Er habe Wartungs- und ggf. Reparaturarbeiten unter Anleitung ausgeführt. In der Regel habe die Tätigkeit an einer geöffneten und eingeschalteten Radaranlage für die Dauer der Reparaturarbeiten angedauert.
Die WBV Ost teilte mit Stellungnahme vom 14. November 2002 mit, dass aufgrund ihrer Recherchen auszuschließen sei, dass der Kläger während seiner Tätigkeit als Funkorter/Operator in der ehemaligen NVA einer gesundheitsgefährdenden ionisierenden Strahlung ausgesetzt gewesen sei. Das Radargerät P-18 habe aus einem Gerätewagen, einem Antennenwagen mit einem System von 16 Einzelantennen und einem Aggregathänger bestanden und in der Regel jeweils zusammen mit einem Radarhöhenfinder/-messer zur Luftraumüberwachung und Zielzuweisung für die Flugabwehr gedient. Als Störstrahler seien in den Radargeräten P-12 und P-18 jeweils vorhanden gewesen im Modulator ein Thyratron TGI 2-400/16 und im Sender eine Senderöhre GI-19. Die Betriebsspannung habe jeweils 14 kV betragen. Bei den durchgeführten Ortsdosisleistungsmessungen seien weder am Modulator noch am Sender im betriebsüblichen Zustand Werte über der normalen Umgehungsstrahlung ermittelt worden (Nulleffekt). Auch Messungen an geöffneten Einschüben neben sowie ober- und unterhalb des Modulators und am Sichtgerät hätten keinen erhöhten Nulleffekt ergeben. Ein Betrieb der Radarstationen P-12 und P-18 mit geöffnetem Sender oder Modulator sei technisc...