Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. freiwilliges Mitglied. Patchworkfamilie. Beitragsbemessung. § 2 Abs 4 S 2 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler im Einklang mit § 240 Abs 5 SGB 5. alleinige Berücksichtigung gemeinsamer unterhaltsberechtigter Kinder. Freibetragsregelung nicht übertragbar auf Patchworkfamilien. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beschränkung des Abzugs von Freibeträgen auf gemeinsame eheliche Kinder im Rahmen der Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens für die Bemessung von Beiträgen zur freiwilligen Krankenversicherung verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

 

Orientierungssatz

Die Regelungen in § 240 Abs 5 SGB 5 und § 2 Abs 4 S 2 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, nach denen bei der Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder im Rahmen der Anrechnung von Ehegatteneinkommen nur für gemeinsame unterhaltsberechtigte Kinder ein Freibetrag eingeräumt wird, verstoßen weder gegen Art 3 Abs 1 noch gegen Art 6 Abs 1 GG.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Beitragshöhe.

Die 1971 geborene Klägerin erhielt bis zum 1. März 2013 Leistungen von der Agentur für Arbeit. Auf Anfrage der Beklagten zum Fortbestand der Versicherung erklärte sie, dass sie seit dem 1. März 2013 bis auf weiteres selbstständig als Rechtsanwältin tätig sei. Der Umfang ihrer Tätigkeit betrage zwei Tage pro Woche mit max. 18 Stunden. Am 15. März 2013 habe sie geheiratet, ihr Ehemann sei als Beamter privat krankenversichert. Sie legte ihr erteilte Steuerbescheide für die Jahre 2011 und 2010 mit Einkünften aus selbständiger Tätigkeit sowie einen Einkommensnachweis für ihren Ehemann vor.

Durch Bescheide vom 3. April 2013 stellten die Beklagten fest, dass die Klägerin seit dem 1. März 2013 freiwillig krankenversichert und in der Pflegeversicherung pflichtversichert sei. Bis zum 14. März 2013 habe sie Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf der Grundlage der gesetzlichen Mindestbemessungsgrundlage von 898,33 € zu zahlen. Ab dem 15. März 2013 sei sie dagegen auf der Grundlage der gesetzlichen halben Beitragsbemessungsgrenze in Höhe von 1.968,75 € zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet. Daraus errechne sich ein monatlicher Beitrag zur Kranken und Pflegeversicherung ab 1. April 2013 von 333,70 €.

Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie machte geltend, dass in dem gemeinsam mit ihrem Ehemann geführten Haushalt fünf minderjährige Kinder leben würden. Das Kind M sei ein gemeinsames Kind. Ihre zwei anderen Kinder A und M würden ebenfalls ständig im Haushalt leben. Zwei weitere Kinder ihres Ehemannes aus einer anderen Beziehung würden an acht Tagen im Monat im gemeinsamen Haushalt leben. Ihr Ehemann würde diesen Kindern monatlich Unterhalt in Höhe von 582,- € gewähren und die private Krankenversicherung für seine drei Kinder zahlen. Daneben müsse er auch Beiträge zu seiner eigenen privaten Krankenversicherung entrichten. Für ihre beiden Kinder erhalte sie monatlichen Unterhalt in Höhe von zusammen 700,- €. Ihr maximales Einkommen aus ihrer Erwerbstätigkeit werde 500,- € nicht übersteigen. Die Beiträge seien nachvollziehbar und unter Berücksichtigung von Freibeträgen für die Kinder erneut zu berechnen.

Die Beklagten wiesen durch Schreiben vom 10. April 2013 darauf hin, dass sie auch nach Prüfung der Angaben keine Änderungen bei der Beitragshöhe vornehmen könnten.

Daraufhin hat die Klägerin am 13. Mai 2013 Klage beim Sozialgericht Berlin mit dem Ziel erhoben, die Beklagte zur Neuberechnung der Beiträge zu verurteilen. Es sei zu überprüfen, ob § 2 der Verfahrensgrundsätze Selbstzahler verfassungsgemäß nicht dahingehend auszulegen sei, dass auch für nicht gemeinsame Kinder Freibeträge zu gewähren seien bzw. ob diese Vorschrift gegen das Grundgesetz verstoße und daher rechtswidrig sei. In ihrem - der Klägerin - Haushalt würden neben dem gemeinsamen Kind zwei weitere Kinder der Klägerin und an acht Tagen im Monat zwei Kinder ihres Ehemannes leben. Es handele sich um eine Patchworkfamilie. Die Versagung weiterer Freibeträge verstoße gegen das Grundgesetz. Das Fehlen einer Gleichbehandlung der anderen Kinder sei umso unverständlicher, als sich der Gesetzgeber im Sozialrecht für das Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft entschieden habe und darunter auch nicht eigene bzw. Kinder nur eines Elternteils erfasse, solange sie im gemeinsamen Haushalt mitlebten.

Die Beklagten haben durch Widerspruchsbescheid vom 8. August 2013 den Widerspruch zurückgewiesen. Nach § 2 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sei bei Mitgliedern, deren Ehegatten nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert seien, für die Beitragsberechnung neben den Einnahmen des Mitglieds auch die Einnahmen des Ehegatten bis zur Höhe der halben Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen. Freibeträge könnten nur für jedes ge...

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