Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit. arbeitstechnische Voraussetzung. Mainz-Dortmunder-Dosismodell. bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule. konkurrierende Ursache. Begleitspondylose. Konstellation B10 bzw. B3 der Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung
Orientierungssatz
1. Das MDD ist, in den Grenzen seiner Thematik, weiterhin eine geeignete Grundlage zur Konkretisierung der im Text der BKV Anl Nr 2108 mit den unbestimmten Rechtsbegriffen "langjähriges" Heben und Tragen "schwerer" Lasten oder "langjährige" Tätigkeit in "extremer Rumpfbeugehaltung" nur richtungweisend umschriebenen Einwirkungen. Allerdings legt das MDD selbst für die Belastung durch Heben und Tragen keine Mindestwerte fest, die erreicht werden müssen, damit von einem erhöhten Risiko von Bandscheibenschäden durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die auf Grund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen, vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2008 - B 2 U 14/07 R.
2. Die dem MDD zu Grunde liegende Mindestdruckkraft pro Arbeitsvorgang ist bei Männern mit dem Wert 2.700 N pro Arbeitsvorgang anzusetzen. Auf eine Mindesttagesdosis ist nach dem Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie zu verzichten. Alle Hebe- und Tragebelastungen, die die aufgezeigte Mindestbelastung von 2.700 N bei Männern erreichen, sind entsprechend dem quadratischen Ansatz (Kraft mal Kraft mal Zeit) zu berechnen und aufzuaddieren, vgl. BSG, aaO.
3. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, ist auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh, also auf 12,5 MNh, herabzusetzen, vgl. BSG, aaO.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 25. März 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule (LWS) durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können -.
Der 1958 geborene Kläger erlernte ab dem 01. September 1973 den Beruf des Facharbeiters für Eisenbahnbau - Spezialisierung Gleisbau -. Im Anschluss an die Ausbildung arbeitete er bei der Deutschen Reichsbahn bzw. der Deutschen Bahn. Bis circa Dezember 1979 war er mit Gleisbauarbeiten beschäftigt. Ab etwa Januar 1980 bis circa Januar 1986 war er als Gleisbauarbeiter, SKL-Fahrer, Arbeitszugführer und Sicherungsposten eingesetzt. Von Januar 1997 bis Mai 2001 arbeitete er als Haus- und Hofarbeiter, wobei er zumindest bis Mitte 2000 auch im Gleisbau eingesetzt war. Von Juni 2001 bis zum 31. März 2005 wurde er neben seiner Tätigkeit als Haus- und Hofarbeiter im Rahmen der Rufbereitschaft auch als Gleisbauer eingesetzt. Ab dem 01. April 2005 war er von der Arbeitsleistung freigestellt, seit dem 01. August 2005 bezieht er Rente wegen voller Erwerbsminderung. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt (Bescheid vom 19. April 2001).
Etwa 1985/1986 stellten sich bei dem Kläger in Zusammenhang mit seiner Arbeit erstmalig behandlungsbedürftige Beschwerden im unteren LWS-Bereich mit einem nach rechts abstrahlendem Schmerzcharakter ein. Diese Beschwerden wurden mit konservativen Therapien, Spritzen und Tabletten behandelt. Der Kläger war wiederholt wegen LWS-Beschwerden arbeitsunfähig. 1996 stellten sich zunehmende ischialgieforme Schmerzen im Bereich des rechten Beines mit zusätzlich auftretendem Taubheitsgefühl von der rechten Gesäßhälfte bis zum rechten Fuß ziehend ein. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten einen Bandscheibensequester L5/S1 rechts. Am 06. September 1996 wurde im E Krankenhaus L eine Nucleotomie in Höhe L 5/S1 rechts mit Anschlussheilbehandlung im Reha-Zentrum S (01. bis 29. Oktober 1996) durchgeführt. Der Kläger war nach Aktenlage vom 29. Juli 1996 bis zum 25. Januar 1997 arbeitsunfähig. Ab 2001 traten erneut verstärkte LWS-Beschwerden mit ischialgieformen Schmerzen bei dem Kläger auf. Ein Rezidivprolaps wurde mittels Computertomografie ausgeschlossen.
Im Oktober 2001 zeigte der Hausarzt des Klägers Dr. B der Beklagten wegen LWS-Beschwerden und Bandscheibenschaden den Verdacht einer BK an. Die Beklagte leitete das Feststellung...