Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Bindung des Einkommensteuerbescheids. Aufwandsentschädigung aus ehrenamtlicher Tätigkeit. freiwillige Feuerwehr. Einstufung als selbständige Tätigkeit im Steuerbescheid. Bindungswirkung hinsichtlich der Einkommensart. Bemessungszeitraum. letzter abgeschlossener steuerlicher Veranlagungszeitraum
Leitsatz (amtlich)
Die Elterngeldstelle ist auch hinsichtlich der Art der Einkünfte an den Einkommenssteuerbescheid der Berechtigten gebunden.
Orientierungssatz
Aufwandsentschädigungen für eine ehrenamtliche Tätigkeit bei der freiwilligen Feuerwehr (hier 1051 Euro im Jahr) führen zu Einkünften aus selbständiger Tätigkeit und können zulasten der Elterngeldbezieher zu einer für sie ungünstigen Verlagerung des Bemessungszeitraums auf den letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes führen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 6. März 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1972 geborene Kläger erstrebt höheres Elterngeld. Er hält die Einordnung seiner Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr als selbständige Tätigkeit für rechtswidrig.
Der Kläger erhielt vom 8. September 2011 bis 7. November 2011 Elterngeld für seine Tochter H F L (Bescheid vom 8. November 2011). Er verdiente als Angestellter im Jahr 2012 29.532,87 Euro, davon wurden 1.817,81 Euro steuerrechtlich als „sonstige Bezüge“ behandelt. Er hatte gemäß dem Einkommenssteuerbescheid 2012 aus „anderer selbständiger Tätigkeit“ (Aufwandsentschädigungen von der Freiwilligen Feuerwehr) 1.051,00 Euro steuerbare Einkünfte.
Er ist Vater des am …2013 geborenen A R L (im Folgenden: Kind) und lebte mit den Kindern und der Mutter in einem Haushalt in Neuruppin. Er nahm vom 28. Dezember 2013 bis 27. Dezember 2014 Elternzeit.
Der Kläger beantragte bereits am 7. November 2013 ab dem 7. Lebensmonat des Kindes (ab 28. Dezember 2013) Elterngeld. Mit Bescheid vom 24. April 2014 gewährte der Beklagte dem Kläger unter dem Vorbehalt der Rückforderung vom 28. Dezember 2013 bis 27. August 2014 pro Lebensmonat 1.037,82 Euro Elterngeld. Der Kläger widersprach. Seine Aufwandsentschädigungen seien kein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2014 als unbegründet zurück. Die Einnahmen als Einsatzkraft der Freiwilligen Feuerwehr und als ehrenamtlicher Ausbilder seien durch die Elterngeldstelle wie durch das Finanzamt einheitlich als Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit zu werten.
Der Kläger hat am 2. Juli 2014 zu dem Sozialgericht Neuruppin Klage erhoben. Die Aufwandsentschädigungen seien kein Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit. Es fehle an der Gewinnerzielungsabsicht. Er habe diese Tätigkeiten schon ausgeübt, als noch keine Aufwandsentschädigungen gezahlt worden seien. Zudem liege die Summe der Aufwandsentschädigungen unter dem steuerfreien Betrag. Wenn überhaupt, sei sie als Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit einzuordnen. Der Bemessungszeitraum für das Elterngeld sei auf die Zeit vom 1. Juni 2012 bis 31. Mai 2013 festzusetzen. Der Kläger habe vom 1. Januar 2012 bis 7. März 2012 Elternzeit gehabt und sei vom 30. April 2012 bis 3. August 2012 krank gewesen. Diese Zeiten seien nicht in den Bemessungszeitraum zu ziehen.
Der Kläger erhielt im Bezugszeitraum insgesamt 1.391,00 Euro Aufwandsentschädigungen, was er dem Beklagten am 12. September 2014 mitteilte. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2014 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 27. Oktober 2017 gewährte der Beklagte dem Kläger vom 28. Dezember 2013 bis 27. August 2014 pro Lebensmonat des Kindes 1.131,53 Euro Elterngeld.
Mit gesondertem Bescheid vom selben Datum über die Verzinsung des Elterngeldes verzinste der Beklagte die Nachzahlung in Höhe von 714,24 Euro für den Zeitraum vom 1. April 2015 bis zum 31. Oktober 2017 (31 Kalendermonate). Hiergegen legte der Kläger entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides Widerspruch ein, über den der Beklagte im Hinblick auf die Klage zur Höhe des Elterngeldes einvernehmlich bislang nicht entschieden hat.
Das Sozialgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 6. März 2019 unter Abänderung des Bescheides vom 24. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2014 in der Fassung des Bescheides vom 7. Oktober 2014 und des Teilabhilfebescheides vom 27. Oktober 2017 verurteilt, dem Kläger vom 28. Dezember 2013 bis 27. August 2014 höheres Elterngeld unter Berücksichtigung des vom 1. Juni 2012 bis 31. Mai 2013 erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit zu gewähren sowie die Nachzahlung zu verzinsen. Die Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr sei keine Erwerbstätigkeit und könne nicht zu einer Verschiebung des Bemessungszeitraums führen.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte am 5. April 2019 Berufung eingelegt. Maß...