Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer wirksamen Aufrechnung der Forderung einer Krankenkasse gegenüber einem Krankenhausträger. Krankenhausbehandlung. Vergütung. Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Verjährung. Aufrechnungslage. Prüfung durch den MDK. Hemmung der Verjährung
Leitsatz (redaktionell)
Die Rückforderung einer Krankenkasse gegenüber einem Krankenhaus wegen zu Unrecht gezahlter Vergütung für eine stationäre Behandlung verjährt nach Maßgabe des § 45 Abs. 1 SGB I innerhalb von vier Jahren. Eine Prüfung durch den MDK gem. § 275 SGB V hemmt die Verjährung nicht.
Orientierungssatz
1. Mit einer Forderung kann die Krankenkasse gegenüber einem Krankenhausträger nicht wirksam aufrechnen, wenn diese zum Zeitpunkt der Aufrechnung bereits verjährt gewesen ist. Zwar enthält § 69 SGB 5 eine abschließende Regelung für die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenhäusern und den Krankenkassen. Jedoch bleiben die übrigen Regelungen des Sozialgesetzbuchs, zu denen die Verjährungsfristen gehören, anwendbar.
2. In seiner Entscheidung vom 28. 2. 2007 hat das BSG ausdrücklich entschieden, dass die vierjährige Verjährungsfrist des § 45 Abs. 1 SGB 1 auch für den Rückforderungsanspruch der Krankenkasse wegen Überzahlung einer Behandlung gilt, vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2007 - B 3 KR 12/06 R.
3. Allerdings schließt § 215 BGB eine Aufrechnung dann nicht aus, wenn die verjährte Forderung zu der Zeit, zu welcher sie gegen die andere Forderung aufgerechnet werden konnte, noch nicht verjährt war. Entscheidend kommt es darauf an, wann sich die gegenseitigen Forderungen als zur Aufrechnung geeignet gegenüber getreten sind.
4. Gehemmt wird die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB durch ein vereinbartes Begutachtungsverfahren. Ein Verfahren gemäß § 275 SGB 5 stellt kein solches Verfahren dar, weil es nicht zwischen den Parteien vereinbart ist.
Normenkette
SGB I § 45 Abs. 1; BGB §§ 215, 204 Abs. 1 Nr. 8; SGB V § 69 S. 3, § 275
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.358,90 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit steht der Sache nach die Bezahlung einer stationären Behandlung im Februar 2004.
Das von der Klägerin betriebene Krankenhaus ist in den Krankenhausplan B aufgenommen. Der Versicherte der Beklagten H S wurde dort in der Zeit vom 19. bis 27. Februar 2004 stationär behandelt. Die Klägerin stellte ihr hierfür mit Schlussrechnung vom 10. März 2004 6.474,01 EUR in Rechnung, welche sie noch im März 2004 beglich.
Am 3. Juni 2008 beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahnvermögens (MD BEV) mit der Durchführung einer Einzelfallbegutachtung nach § 275 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Der MD BEV forderte mit Schreiben vom 3. Juni 2008 von der Klägerin die Übersendung von Unterlagen zur Durchführung des Prüfungsverfahrens an. Dem kam diese nach. Der MD BEV gelangte in seinem Gutachten vom 30. Januar 2009 zu dem Ergebnis, die Klägerin habe in der Schlussrechnung vom 10. März 2004 eine fehlerhafte Kodierung verwendet. Die Beklagte forderte sie mit Schreiben vom 10. Februar 2009 zur Korrektur der Schlussrechnung binnen 14 Tagen auf und kündigte die Verrechnung eines Betrages von 3.358,90 EUR an. Am 13. März 2009 verrechnete die Beklagte diese Summe mit der unstreitigen Schlussrechnung der Klägerin vom 4. März 2009 über 6.209,17 EUR betreffend die stationäre Behandlung des Versicherten der Beklagten U R.
Mit der am 5. Juni 2009 beim Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von 3.358,90 EUR nebst Zinsen. Das Prüfungsrecht sei bereits verfristet gewesen, der Rückzahlungsanspruch im Übrigen verjährt. Die Beklagte hat sich unter anderem auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. Juli 2004 (AZ: B 3 KR 21/03 R) berufen. Die Verjährung sei spätestens mit der Einleitung des Begutachtungsverfahrens durch die Beklagte bzw. der Anforderung der Unterlagen bei der Klägerin durch den MD BEV gehemmt gewesen.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 10. August 2010 verurteilt, an die Klägerin 3.358,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. März 2009 zu zahlen. Die Beklagte habe mit ihrer etwaigen Forderung nicht wirksam aufrechnen können, weil diese zum Zeitpunkt der Aufrechnung bereits verjährt gewesen sei. Der Zinsanspruch folge entweder aus § 12 Abs. 5 des Vertrages über allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen den Krankenkassen und Krankenkassenverbänden und der Berliner Krankenhausgesellschaft e. V. vom 1. November 1994 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung vom 22. Dezember 1997 (Krankenhausbehandlungsvertrag), wonach das Krankenhaus ab Fälligkeitstag ohne vorherige Mahnung Zinsen in Höhe von 2 %-Punkten über dem Basiszinssatz verlangen könne. Sofern der Krankenhausbehandlungsvertrag zwischen den Beteiligten keine Anwendung finden sollte, ergäbe sich d...