Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Zulässigkeit einer Leistungsklage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer
Orientierungssatz
1. Bei dem Anspruch auf Entschädigung wegen überlanger Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens handelt es sich nicht um einen Amtshaftungsanspruch i. S. von Art. 34 GG. Deshalb ist nicht der ordentliche Rechtsweg, sondern der zu der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet.
2. Handelt es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Entschädigungsklageverfahren beim LSG Berlin-Brandenburg, so übt dieses Gericht im Entschädigungsverfahren Rechtsprechungsgewalt des Landes Berlin-Brandenburg aus. Dieses ist damit Anspruchsgegner im Entschädigungsklageverfahren.
3. Entsprechend der Regelung in § 198 GVG stellt der vom Anspruchsteller erhobene Anspruch eine Leistung i. S. des § 54 Abs. 5 SGG dar. Eine vorherige Verwaltungsentscheidung ist nach § 198 Abs. 5 GVG nicht vorgesehen.
4. Die erhobene Klage ist nach § 198 Abs. 5 S. 1 GVG unzulässig, wenn sie nicht form- und fristgerecht nach Ablauf von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge eingereicht worden ist. Für den frühestmöglichen Rügetermin verlangt das Gesetz einen konkreten Anlass zu der Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden kann. Eine Verzögerungsrüge entspricht u. a. dann nicht den gesetzlichen Anforderungen, wenn das Nichtbetreiben des Ausgangsverfahrens allein von dem Kläger zu vertreten ist.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 4.800,- € festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Zahlung einer Entschädigung wegen der Dauer des Entschädigungsklageverfahrens - L 37 SF 116/14 EK AS - (Ausgangsverfahren).
Die Kläger erhoben im Ausgangsverfahren am 13. Mai 2014 Klage wegen überlanger Dauer des beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg - von den Klägern zu 2. und 3. - geführten Berufungsverfahrens - L 5 AS 1957/11 -, mit der sie eine Entschädigung iHv 3.000,- € pro Kläger begehren. Das Ausgangsgericht bewilligte den Klägern zu 2. und 3. nach Maßgabe des Beschlusses vom 30. Januar 2015 Prozesskostenhilfe (PKH) mWv 14. Mai 2014 hinsichtlich einer Entschädigung iHv jeweils 800,- €. Den nach §§ 12, 12a Gerichtskostengesetz (GKG) angeforderten Gerichtskostenvorschuss entrichteten die Kläger im Ausgangsverfahren bislang nicht.
Nach mit Schreiben vom 27. September 2015 erhobener Verzögerungsrüge haben die Kläger am 30. März 2016 beim LSG eine Entschädigungsklage eingereicht, mit der sie “Kompensationszahlungen„ iHv jeweils 100,- €,- monatlich “ab September 2015„ wegen einer überlangen Dauer des Ausgangsverfahrens geltend machen.
Die Kläger, die im Verhandlungstermin keinen Prozessantrag gestellt haben, beantragen nach ihrem Vorbringen,
den Beklagten zu verurteilen, an sie jeweils 1.600,- € zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er sieht eine entschädigungspflichtige Verzögerung im Ausgangsverfahren schon deshalb nicht, weil die Kläger dort den erforderlichen Gerichtskostenvorschuss nicht entrichtet hätten.
Die Gerichtsakte und die Akten des Ausgangsverfahrens haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist bereits unzulässig und war daher abzuweisen.
Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG), jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl I S 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl I S 2554). Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer handelt es sich nicht um einen Amtshaftungsanspruch iSv Art. 34 Grundgesetz (GG). Es ist daher nicht der ordentliche Rechtsweg, sondern vorliegend der zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Denn die grundsätzlich in § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG vorgesehene Zuweisung der Entschädigungsklagen an das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde, wird für sozialgerichtliche Verfahren in § 202 Satz 2 SGG modifiziert. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das LSG, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht (BSG) und an die Stelle der Zivilprozessordnung das SGG tritt. Für die Entscheidung über die Klage ist daher das LSG Berlin-Brandenburg zuständig.
Richtiger Beklagter ist das Land Brandenburg. Nach § 200 Satz 1 GVG haftet für Nachteile, die a...