Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung des Merkzeichens G bei zumutbarem Ausgleich durch ein medizintechnisches Hilfsmittel
Orientierungssatz
1. Aus einem GdB-Wert von 30 für ein Wirbelsäulenleiden, einem solchen von 20 für eine Lungenerkrankung und einem von gleichfalls 20 für eine Bewegungseinschränkung der Schultergelenke ist nach § 69 Abs. 3 SGB 9 ein Gesamt-GdB von 50 zu bilden.
2. Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens G hat nach § 145 Abs. 1 S. 1 SGB 9 derjenige Schwerbehinderte, der infolge seiner Behinderung in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Kann eine bestehende Fußheberschwäche durch das Tragen einer Peronaeusschiene ausreichend kompensiert werden, so besteht kein Anspruch auf das Merkzeichen G.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 7. Mai 2014 geändert sowie der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 17. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2010 verpflichtet, bei dem Kläger mit Wirkung ab September 2013 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Rechtsstreits zu einem Viertel zu erstatten. Im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) und über das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Auf den Feststellungsantrag des Klägers vom 25. März 2010 stellte der Beklagte bei ihm mit Bescheid vom 17. August 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2010 einen Grad der Behinderung von 40 fest und lehnte die beantragte Zuerkennung des Merkzeichens “G„ ab. Hierbei ging er von folgenden (verwaltungsintern mit den aus den Klammerzusätzen ersichtlichen Einzel-GdB bewerteten) Funktionsbehinderungen aus:
1. Lungenfunktionseinschränkung (20),
2. Funktionsstörung der Wirbelsäule (20),
3. Peronaeusnervenlähmung rechts (20).
Mit der bei dem Sozialgericht Cottbus erhobenen Klage hat der Kläger einen GdB von mindestens 50 und das Merkzeichen “G„ begehrt.
Das Sozialgericht hat von Amts wegen das Gutachten des Arztes M vom 7. November 2011 eingeholt, der einen Gesamt-GdB von 40 vorgeschlagen und die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens “G„ verneint hat. Der Gutachter hat hierbei folgende Funktionsbeeinträchtigungen ermittelt:
1. Funktionsstörung der Wirbelsäule mit Fußhebeschwäche rechts (30),
2. Einschränkung der Lungenfunktion, chronische Heiserkeit (20),
3. seelisches Leiden (ab Oktober 2011: 20),
4. Reizzustände des rechten Schultergelenkes (10).
Auf den Antrag des Klägers ist der Chirurg Dr. A gehört worden, der im Gutachten vom 13. Februar 2012 mit ergänzender Stellungnahme vom 12. September 2012 einen Grad der Behinderung von 80 und die Zuerkennung des Merkzeichens “G„ für angemessen gehalten hat. Er hat seiner Einschätzung folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde gelegt:
1. Herabsetzung der Trage- und Belastungsfähigkeit der Wirbelsäule in drei Wirbelsäulenabschnitten und Bandscheibenoperationsfolgen (40)
2. Peronaeusparese (30),
3. Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenks (20),
4. Belastungseinschränkung der Atemorgane (50).
Im sozialgerichtlichen Verfahren ist das Gutachten des Dr. B vom 22. Oktober 2012 beigezogen worden, das dieser in einem unfallversicherungsrechtlichen Streitverfahren erstattet hat.
Ferner hat das Sozialgericht das Gutachten des Internisten Prof. Dr. H vom 8. Dezember 2013 eingeholt, der auf seinem Fachgebiet eine Einschränkung der Lungenfunktion mit einem Einzel-GdB von 20 festgestellt hat.
Mit Urteil vom 7. Mai 2014 hat das Sozialgericht Cottbus die Klage mit der Begründung abgewiesen, es liege kein höherer GdB als 40 vor, weswegen auch die Voraussetzungen des Merkzeichens G zu verneinen seien.
Mit der Berufung gegen diese Entscheidung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Hierzu hat er das Sachverständigengutachten des Chirurgen H vom 6. September 2013 eingereicht, das in einem unfallversicherungsrechtlichen Streitverfahren erstattet worden ist.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des Orthopäden Dr. W vom 13. März 2015, der auf seinem Fachgebiet folgende Funktionsbeeinträchtigungen ermittelt hat:
1. Zustand nach zweifacher Bandscheibenoperation, Postnucleotomiesyndrom, Spinalkanalstenose der mittleren Lendenwirbelsäule, Halswirbelsäulendegeneration mit geringen funktionellen Störungen (20, ab September 2013: 30),
2. Bewegungsstörung beider Schultergelenke (20),
3. Teillähmung des Nervus peroneus rechts (20),
4. Lungenfunktionseinschränkung (20).
Der Sachverständige hat vorgeschlagen, den Gesamt-GdB ab September 2013 auf 50 anzuheben. Das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens “G„ hat er verneint. Dem ist der Kläger entgegen...