Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Wetteinnehmer einer Lotto-Annahmestelle
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Betreibt der Wetteinnehmer einer Lotto-Annahmestelle ein Ladengeschäft als Einzelkaufmann, erhält er von seinem Auftraggeber lediglich Provisionen für erfolgte Wetteinsätze, unterliegt er keinem Weisungsrecht, ist er frei hinsichtlich seiner Arbeitszeit, muss er seine Arbeitsleistung nicht persönlich erbringen und trägt er das unternehmerische Risiko für seine Tätigkeit allein, so ist von dem Bestehen einer selbständigen Tätigkeit auszugehen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist der Sache nach der sozialversicherungsrechtliche Status der Tätigkeit des Klägers als sogenannter Wetteinnehmer in der in seinem damaligen Geschäftslokal befindlichen Lotto-Annahmestelle der Beigeladenen zu 1) (nachfolgende nur noch „die Beigeladene“) in der Zeit vom 12. Mai 1997 bis zum 26. Oktober 2002 sowie vom 20. August 2008 bis zum 8. Juli 2009.
Die Beigeladene veranstaltet aufgrund öffentlich-rechtlicher Erlaubnis im Land Niedersachsen Lotterien und Sportwetten.
Der 1950 geborene Kläger betrieb ab dem 31. März 1997 als Einzelkaufmann ein Ladengeschäft in H, in welchem er Zeitungen, Tabakwaren, Schreibwaren und Süßigkeiten verkaufte. In dem Ladenlokal war bereits eine Lotto-Annahmestelle vorhanden, die zunächst noch bis zum 12. Mai 1997 von der vormaligen Ladeninhaberin betrieben wurde.
Der Kläger war freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert.
Die Tätigkeit als Wetteinnehmer übte er vom 12. Mai 1997 bis zum 26. Oktober 2002 und vom 20. August 2008 bis zum 8. Juli 2009 aus. Im Einzelnen schlossen er und die Beigeladene zunächst am 21. April 1997 einen „Wetteinnehmer-Vertrag“. Wegen dessen Einzelheiten wird auf die Kopien Blatt 18 - 20 des Verwaltungsvorganges der Beklagten verwiesen. Dieser Vertrag endete mit Wirkung zum 26. Oktober 2002, weil der Kläger aus H verzog.
Am 11. Juli 2007 schlossen beide Parteien mit Beginn ab 20. August 2007 einen neuen „Wetteinnehmer-Vertrag“ Dieser Vertrag wurde mit Wirkung vom 29. März 2009 durch den Vertrag vom 15. Dezember 2008/23. Februar 2009 ersetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Kopien im Verwaltungsvorgang verwiesen.
Der Kläger nahm vom 21. April 1997 bis zum 24. April 1997 sowie vom 11. Juli 2007 bis zum 12. Juli 2007 an Einführungsseminaren für Verkaufsstellenleiter der Beigeladenen teil. Diese händigte ihm jeweils die zu beachtenden aktuellen „Geschäftsanweisungen für Wetteinnehmer/innen“ aus. Sie stellte ihm ein Online-Terminal zur Erfassung der Spielaufträge zur Verfügung. Das Einschalten und das Ausschalten des Terminals nahm der Kläger selbständig vor. Eine Buchung von Spielaufträgen am Terminal konnte aber nur erfolgen, wenn der Onlinezugang durch die Beigeladene aktiviert war. Der Kläger hatte hierfür anzugeben, zu welchen Uhrzeiten das Terminal einsatzbereit sein sollte. Eine Änderung der Einsatzzeiten konnte auf einen Anruf bei der Beigeladenen hin erfolgen. Der Kläger verkaufte für die Beigeladene Lottoscheine, nahm die Spiel- und Wetteinsätze sowie die Bearbeitungsgebühren von den Kunden an und zahlte Gewinne aus. Er zahlte die Gelder auf ein gesondertes Konto ein. Die Beigeladene erstellte über die vereinnahmten Gelder eine Abrechnung, aus welcher u. a. die Provision des Klägers als Wetteinnehmer sowie andere Abrechnungsposten ersichtlich waren und buchte die Beträge von dem entsprechenden Konto ab. Für seine Tätigkeit erhielt der Kläger eine Provision von netto 6,5 % zuzüglich der jeweils geltenden Umsatzsteuer nach § 7 Abs. 3 des Vertrages von 21. April 1997 bzw. in Höhe von netto 7,308 % nach § 7 Abs. 3 des Vertrages vom 11. Juli 2007 sowie vom 15. Dezember 2008/23. Februar 2009 auf die vermittelten Einsätze und die Bearbeitungsgebühren. Er versteuerte die Provisionen wie die Einnahmen aus dem Ladengeschäft selbst.
Den letzten Wetteinnehmervertrag kündigte die Beigeladene am 8. Juli 2009 mit sofortiger Wirkung. Die Beigeladene sperrte den Online-Zugang im Laufe dieses Tages. Der Kläger gab sein Geschäft daraufhin am 21. Juli 2009 auf. Die Wirksamkeit der Kündigung wurde gerichtlich bestätigt (Urteil des Landgerichts Hannover vom 11. Januar 2002 - 21 O 16/11,...