Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Vergütung. sachlich-rechnerische Richtigstellung. Dialyse-Sachkosten. unzulässige Behandlung in Räumlichkeiten auf dem Gelände eines Krankenhauses entgegen gerichtlichen Vergleich. "Erlöschen" des Vergütungsanspruchs. zukunftsgerichtete Wirkung

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Rechtsbegriff "Erlöschen" kommt im SGB V nur eine zukunftsgerichtete Wirkung zu.

 

Orientierungssatz

Der Begriff der vertragsärztlichen Vergütung umfasst zumindest im Regelfall auch die Sachkosten(erstattung). Dies ergibt sich schon aus den die vertragsärztliche Vergütung regelnden gesetzlichen Bestimmungen. (Dialyse-)Sachkosten zählten schon immer zur vertragsärztlichen Vergütung.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 16.05.2018; Aktenzeichen B 6 KA 4/18 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. April 2013 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 31. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2011 wird aufgehoben, soweit Honorarbescheide für das Jahr 2006 aufgehoben und Leistungen für das Jahr 2006 zurückgefordert wurden.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 7/12 und die Klägerin zu 5/12.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin zur Rückzahlung von Honorar verpflichtet ist, weil sie gegen Vereinbarungen in einem gerichtlichen Vergleich verstoßen hat.

Die klagende Berufsausübungsgemeinschaft, die im streitigen Zeitraum (Quartale I/06 bis IV/07) aus einem Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie (Dr. S), einer Fachärztin für Innere Medizin ohne Schwerpunktbezeichnung (Frau P) sowie zwei Fachärzten für Allgemeinmedizin (Dr. H, DM K) bestand, nimmt seit vielen Jahren an der vertragsärztlichen Versorgung teil und betreibt an zwei Standorten im B Stadtteil H eine Dialysepraxis. Darüber hinaus verfügte die Praxis über eine von der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin wiederholt erteilte Abrechnungsgenehmigung für Leistungen der zentralisierten Heimdialyse (6 Behandlungsplätze) für eine ca. 25 km entfernte Betriebsstätte auf dem Gelände des Krankenhauses in S (Land Brandenburg). Nachdem es zwischen den Beteiligten aufgrund gewandelter Rechtsauffassung der Beklagten zu einem Streit über die Verlängerung dieser Abrechnungsgenehmigung gekommen war, schlossen die damaligen Praxisinhaber (Dres. S und eine, Frau P) und die Beklagte - jeweils unter Beteiligung der KV Brandenburg - vor dem Sozialgericht Berlin zwei Vergleiche. Im Verfahren S 79 KA 199/03 verpflichtete sich die Beklagte, eine auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2005 befristete Genehmigung zur Übernahme des Versorgungsauftrages gemäß der Anlage 9.1 der Bundesmantelverträge für die S Betriebsstätte zu erteilen. Im Verfahren S 71 KA 161/03 schlossen die Beteiligten am 30. November 2005 folgenden (nicht widerrufenen) Vergleich:

1.

Die Beklagte und die KV Brandenburg sind sich darüber einig, dass die Kläger in der Betriebsstätte S, P, weiterhin bis zum 30. November 2008 LC-Dialyse - wie bisher - erbringen und abrechnen dürfen, und zwar nur für die Patienten, die zum letzten Zeitpunkt bereits in S dialysiert wurden. Die Möglichkeit, diese Leistungen zu erbringen und abzurechnen, gilt nicht für Patienten, die bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht in S dialysiert worden sind.

2.

Die Kläger verpflichten sich, unverzüglich eine Patientenliste der von ihnen in S dialysierten Patienten vorzulegen. Ferner verpflichten sie sich, diese Liste im Dezember 2006 und Dezember 2007 erneut vorzulegen, damit erkennbar ist, ob weiterhin alle Patienten dialysepflichtig sind.

3.

Die Kläger sind sich darüber im Klaren, dass bei einem Verstoß gegen Ziffer 1 diese hier getroffene Vereinbarung erlischt und als Folge für sämtliche in der Betriebsstätte S erbrachten Dialyseleistungen kein Vergütungsanspruch mehr besteht.

4.

Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

5.

Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass dieses Verfahren sowie das Verfahren S 79 KA 199/03 hiermit erledigt sind.

6.

Die Beteiligten und die KV Brandenburg behalten sich den Widerruf dieser Vereinbarung vor bis zum 14. Dezember 2005 (Eingang bei Gericht).

Nachdem die Beklagte Hinweise der KV Brandenburg erhalten hatte, wonach die Klägerin in ihrer S Betriebsstätte auch Versicherte dialysiere, die sich am 30. November 2005 dort noch nicht in Behandlung befunden hätten, leitete sie weitere Ermittlungen hierzu ein. In diesem Zusammenhang erhielt sie eine undatierte Erklärung des 1926 geborenen, 2011 verstorbenen Versicherten St, derzufolge er nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus S am 4. Januar 2007 bis zum 31. August 2007 ausschließlich in der klägerischen Praxis am Krankenhaus S dialysiert und behandelt worden sei. Unter dem 5. Dezember 2007 erklärte eine Frau M, dass sie den Versicherten St im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der häuslichen Krankenpflege mitbetreue und er in der klägerischen Dialysepraxis in S dialysiert worden sei. Unter dem 26. ...

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