Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Cutter/Editor bzw. Mediengestalter Bild und Ton. Abgrenzung. Dienstvertrag. Werkvertrag. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Werkvertrag liegt - in Abgrenzung zu einem Dienstvertrag - nicht vor, wenn Vertragsinhalt zwar die Herstellung eines bestimmten Produkts ist (hier: Erstellung sendereifer Folgen einer sog Doku-Soap aus umfangreichem Rohmaterial), der Auftragnehmer die hierfür erforderlichen Handlungen aber nicht nach eigenen betrieblichen, sondern nach fremdbestimmten Voraussetzungen organisiert.
2. Auch wenn eine bestimmte berufliche Tätigkeit innerhalb einer Branche einhellig als selbständige Tätigkeit qualifiziert werden sollte, ist dies für die Statusabgrenzung ohne Bedeutung.
3. Bei Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Herstellung von Kunstwerken, Rundfunksendungen oder Film(beiträg)en gebieten Gesichtspunkte der Kunst- oder Rundfunkfreiheit keinerlei Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen für die Statusabgrenzung. Ob Erwerbstätige programmgestaltend tätig sind, ist daher unerheblich.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. Februar 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Klägers aufgrund seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1 (im Folgenden: die Beigeladene) in der Zeit von Juni 2012 bis September 2013.
In diesem Zeitraum war der 1986 geborene Kläger, der über einen IHK-Abschluss als Mediengestalter Bild und Ton verfügt, als Film- und Videoeditor für die Beigeladene im Rahmen der Produktionen „S“, „T“, „B“, „Z“ und „T“ - entweder für die gesamte Staffel einer Sendereihe oder nur für einzelne Folgen - tätig. Grundlage seiner Arbeit war Rohmaterial im Umfang von 15 bis 20 Stunden je Sendung, für dessen Nachbearbeitung die Beigeladene vom (Film-)Produktionsunternehmen (U) engagiert wurde und ihrerseits Cutter und Editoren wie den Kläger beauftragte. Seine Aufgabe bestand darin, aus dem Rohmaterial eine sendefähige, 45, 60 oder 90 Minuten umfassende Folge (Schnitt, Farbkorrektur, Tonmischung, Grafikgestaltung, musikalische Untermalung) „bis hin zur technischen Abnahme mit Senderrichtlinie und Ausspiel und Kodierung des sendefertigen Beitrags“ zu erstellen, Drehbänder einzuladen und die fertigen Sendungsmaster auszuspielen. Hierfür klärte die Beigeladene schon vor Drehbeginn mit dem Kläger ab, ob er eine bestimmte Anzahl von Folgen innerhalb eines bestimmten Zeitraums - ein Abgabetermin wurde bereits genannt - fertigstellen könne, und informierte ihn zugleich über Veränderungen, z.B. neue Mitwirkende (Protagonisten, Handwerker, Drehstab). In der Regel hatte der Kläger zur Herstellung einer Folge einen Zeitraum von drei Wochen zur Verfügung. Sowohl das Rohmaterial als auch das vom Kläger hergestellte Produkt für die Beigeladene, der sog. Sendemaster, befinden sich auf Datenträgern. Übertragungen von einem Datenträger auf einen anderen werden branchenintern als Ausspielen bezeichnet. Die o.g. Senderrichtlinien betreffen von senderspezifische technische Daten für die Sendemaster.
Der Kläger arbeitete - teilweise zwischen acht und 14 Stunden je Arbeitstag - mit einem von der Produktionsfirma gestellten, täglich anwesenden Redakteur zusammen, der den „roten Faden“ und die einzelnen Charaktere der zu erzählenden Geschichte festlegte. Dieser gab der Kläger durch Schnittfrequenzen, Bildelemente und Farbkorrektur Gestalt und bearbeitete sie dramaturgisch. Hierbei waren ihm im Hinblick auf das Corporate Design des Produktionsunternehmens Grafiken vorgegeben. Die Musikauswahl oblag ihm, die Bearbeitung der Sprechertexte dem Redakteur. Den Arbeitsfortschritt besprach der Kläger regelmäßig mit dem Redakteur, der sich schon vor der Abnahme einzelne Arbeitsergebnisse zeigen ließ, etwa um die Einhaltung der Vorgaben zum Sponsoring - bestimmte Produkte waren in einem festgelegten zeitlichen Umfang in der Sendung zu platzieren - zu kontrollieren. Der Kläger hatte auch die Möglichkeit, einen sog. Nachdreh vorzuschlagen, z.B. um inhaltliche Brüche der Geschichte zu vermeiden.An der Abnahme jeder einzelnen Folge nahmen für die Produktionsfirma der Redakteur und der Produzent teil. Bei inhaltlichen oder das Sponsoring betreffenden Problemen musste der Kläger nacharbeiten.
Die Beigeladene stellte dem Kläger für einen bestimmten Zeitraum (Schicht) in ihren Räumlichkeiten einen ihrer Schnittplätze zur Verfügung. Der Kläger war nicht verpflichtet, die Schnittplätze während des gebuchten Zeitraums auch tatsächlich zu nutzen, sondern musste nur angeben, ob er den - von ihm ausgewählten - Schnittplatz am folgenden Tag nutzen wolle. Außerhalb der jeweiligen Schicht des Klägers wurde ein solcher Schnittplatz auch von anderen Editoren genutzt. Wegen der für diese Tätigkeit erforderlichen außerordentlich großen Speiche...