Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung von Beschäftigungszeiten eines ehemaligen Mitarbeiters des Ministerium für Staatssicherheit / Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen DDR

 

Orientierungssatz

1. Der Berechnung der Altersrente für einen ehemaligen beim Ministerium für Staatssicherheit / Amt für Nationale Sicherheit (MfS/AfNS) der DDR Beschäftigten ist das Durchschnittsentgelt im Beitrittsgebiet zugrunde zu legen. Der Gesetzgeber war berechtigt, für Angehörige des MfS/AfNS den Wert der zu berücksichtigenden Arbeitsentgelte niedriger einzustufen als bei anderen Versicherten aus dem Beitrittsgebiet, weil in diesem Bereich deutlich überhöhte und nicht auf entsprechender Arbeitsleistung beruhende Entgelte gezahlt worden sind.

2. Die Entscheidung des Gesetzgebers, mit der Regelung in § 7 AAÜG überhöhte Anwartschaften abzubauen, ist verfassungsgemäß. Nachdem sich das BVerfG in seinem Beschluss vom 6. 7. 2010 mit dieser Frage eingehend beschäftigt hat, ist eine erneute Vorlage an das BVerfG ausgeschlossen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 06. Juli 2010 - 1 BvL 9/06, BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 2/10 R.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Wege der Überprüfung eines bestandskräftig gewordenen Rentenbescheides die Gewährung einer höheren Altersrente ohne Begrenzung der während einer Beschäftigung beim Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (MFS/AfNS) erzielten Arbeitsentgelte.

Der 1946 geborene Kläger war in der Zeit vom 01. Oktober 1971 bis zum 15. Dezember 1989 Mitarbeiter des MfS, zuletzt als Schichtleiter.

Mit Bescheid vom 03. November 1998 und Änderungsbescheid vom 15. November 1999 stellte das Bundesverwaltungsamt als Sonderversorgungsträger die Zeit vom 01. Oktober 1971 bis 15. Dezember 1989 als solche der Zugehörigkeit des Klägers zum Sonderversorgungssystem des MfS fest und teilte die entsprechenden tatsächlich erzielten Entgelte mit.

Mit Bescheid vom 07. Mai 2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 01. Juni 2009. Die Rente wurde mit Bescheid vom 21. August 2009 neu festgestellt. Die Beklagte legte der Berechnung für den Zeitraum 01. Oktober 1971 bis 15. Dezember 1989 auf das jeweilige Durchschnittsentgelt im Beitrittsgebiet begrenzte Entgelte zugrunde.

Am 22. Dezember 2010 beantragte der Kläger, den Rentenbescheid gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu überprüfen. Er halte die Minderung des Rentenanspruchs auf 1,0 Entgeltpunkte nach § 7 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) in der Fassung des 2. Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz-Änderungsgesetzes (2. AAÜG-ÄndG) für rechtswidrig. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 22. Juni 2004 eine erneute Überprüfung des § 7 AAÜG in Aussicht gestellt, sobald die Ergebnisse der vollständigen Klärung der Einkommensverhältnisse vorlägen. Ein von den Betroffenenverbänden in Auftrag gegebenes Gutachten über die Einkommensverhältnisse im MfS liege vor.

Mit Bescheid vom 18. Januar 2011 (der fälschlich als Bescheid vom 18. Januar 2010 bezeichnet ist) lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 21. August 2009 mit der Begründung ab, die Überprüfung habe ergeben, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei.

Den hiergegen am 21. Januar 2011 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05. April 2011 zurück.

Mit der am 13. April 2011 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er habe für die festgestellte Zeit der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des MfS einen Anspruch auf Anerkennung von Arbeitsverdiensten oberhalb des Durchschnittsentgeltes aller Versicherten bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze. Die Berücksichtigung der nach dem AAÜG festgestellten tatsächlich erzielten Arbeitsverdienste nur bis zum Durchschnittsentgelt aller Versicherten bei der Rentenberechnung sei rechtswidrig. § 7 Abs. 1 und 2 in der Fassung des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 Grundgesetz (GG) und sei damit verfassungswidrig. Er bezog sich auf ein Gutachten des Brandenburgischen Instituts für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung (biab) über die “Einkommensentwicklung und Einkommensstrukturen der hauptamtlichen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR im Vergleich zu Segmenten des sogenannten X-Bereichs (NVA und MdI) und zur Volkswirtschaft„. Zwar treffe es zu, dass die Durchschnittseinkommen im Bereich des MfS über denen des zivilen Sektors lägen, z. B. im Jahr 1988 um 59 Prozent. Über dem Niveau der Volkswirtschaft liegende Durchschnittseinkommen seien jedoch für den gesamten militärischen Sektor typisch gewesen. Zud...

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