Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Gesellschafter. Geschäftsführer. Familiengesellschaft. unechte Sperrminorität. Stimmbindungsvereinbarung. Vertrauensschutz

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. November 2020 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht ein Prüfbescheid der Beklagten, mit dem Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2015 nachgefordert werden.

Die Klägerin ist ein Familienunternehmen, dass die Herstellung von computergestützten Leiterplattenentwürfen und reprographischen Fertigungsanlagen (Filmen), die Entwicklung von Hard- und Software sowie den Vertrieb von Leiterplatten zum Gegenstand hat.

Nachdem der Beigeladene zu 1 ebenso wie seine Schwester C W noch im November 2007 12,17 % (6.450,00 € von 53.000,00 €) und seine Mutter B G 75,66 % der Gesellschaftsanteile innegehabt hatte, hielt er ab 19. Dezember 2007 22,42 % der Geschäftsanteile (13.450,00 € von 60.000,00 €), seine Mutter 66,83 % und seine Schwester 10,75 % (6.450,00 € von 60.000,00 €). Am 25. April 2014 übertrug C W mit notariellem Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag vorübergehend ihre Anteile an die Klägerin.

Laut Gesellschaftsvertrag der Klägerin vom 02. November 1990 wurden Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung im Grundsatz mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht das Gesetz zwingend eine andere Mehrheit vorschreiben. Beschlüsse, die über Verfügungen von Geschäftsanteilen, Einziehung von Geschäftsanteilen und Kapitalerhöhung zu fassen sind, bedurften zur Wirksamkeit einer ¾-Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Abgestimmt wurde nach Geschäftsanteilen. Je DM 100,00 eines Geschäftsanteils gewährten eine Stimme.

Am 01. November 2005 schlossen die Gesellschafter der Klägerin einen Stimmbindungsvertrag („Pool“), in dem sie sich zur Vorbeschlussfassung und einheitlichen Ausübung des Stimmrechtes in der Gesellschafterversammlung der Klägerin verpflichteten. Danach sollten vor jeder Abstimmung in der Gesellschaft die Poolmitglieder vorab in der Mitgliederversammlung des Pools (Poolversammlung) über die Ausübung des Stimmrechts bei den Abstimmungen in der Gesellschaft beschließen. Je 10 € eines Geschäftsanteils der Beteiligung an der GmbH gewährten dem jeweiligen Gesellschafter in der Poolversammlung eine Stimme. Beschlüsse in der Poolversammlung wurden mit einer Mehrheit von 90 v.H. der Stimmen gefasst. Der Vertrag war für jedes Mitglied mit einer Frist von 12 Monaten zum Ende des Geschäftsjahres der Gesellschaft kündbar.

Am 02. Januar 2008 schloss die Klägerin mit dem Beigeladenen zu 1 einen unbefristeten Geschäftsführervertrag, mit dem dieser ab dem 01. Januar 2008 zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt wurde. Er wurde von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und auch bei Bestellung mehrerer Geschäftsführer einzeln zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt (§ 1 Abs. 1 des Vertrags). In dem Vertrag verzichteten die Gesellschafter auf ihr Recht, dem Geschäftsführer Weisungen - insbesondere in Bezug auf die Ausführung seiner Tätigkeiten - zu erteilen und sich in die laufende Geschäftsführung einzuschalten. Darüber hinaus sollte der Geschäftsführer hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Umfang seiner Leistungserbringung frei sein und keinen Weisungen der Gesellschafter unterliegen (§ 1 Abs. 3 des Vertrags). Einschränkungen der Tätigkeit des Geschäftsführers und Zustimmungsvorbehalte für wichtige Maßnahmen sollten durch Gesellschafterbeschluss oder in der Satzung erfolgen (§ 1 Abs. 7). Die vereinbarte monatliche Vergütung belief sich auf 5.500,00 € zzgl. einer Gewinnbeteiligung (Tantieme; § 4 Abs. 1 des Vertrags). In § 5 des Geschäftsführervertrags war eine Fortzahlung des Grundgehalts - unter Anrechnung etwaiger Zahlungen der Krankenkasse/Krankenversicherung für längstens 6 Monate vereinbart. Der jährliche Urlaubsanspruch war mit 30 Arbeitstagen festgesetzt (§ 7 Abs. 1). Weitere Geschäftsführerin war bis August 2013 die Mutter des Beigeladenen zu 1 B G.

Ein im März 2009 eingeleitetes Statusfeststellungsverfahren hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für die Klägerin wurde mit Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 2009 mangels Mitwirkung des Beigeladenen zu 1 eingestellt.

In der Zeit vom 19. September 2016 bis zum 09. Januar 2017 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) betreffend den Prüfzeitraum vom 01. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2015 durch. Mit Bescheid vom 16. Januar 2017 forderte sie nach vorangegangener Anhörung von der Klägerin Beiträge zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung i.H.v. 52.870,44 € für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als Gesellschafter-Geschäftsführer nach. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Kläger...

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