Entscheidungsstichwort (Thema)

Anschlussheilbehandlung. Altersteilzeit. medizinische Rehabilitation. passive Phase. Erstattungsanspruch der Sozialleistungsträger untereinander

 

Orientierungssatz

1. Der Rentenversicherungsträger ist für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zuständig, auch wenn sich der Versicherte in der passiven Phase eines Altersteilzeitmodells befindet.

2. Bei einem aufgestockten Entgelt handelt es sich nicht um Leistungen für Personen, die dauerhaft aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und durch betriebliche Versorgungsleistungen auf die Altersrente hingeführt werden. Der Arbeitnehmer scheidet noch nicht dauerhaft aus dem Arbeitsleben aus. Der Phase der Altersteilzeit könnte sich eine weitere Arbeitsphase anschließen. Der Arbeitnehmer könnte nach Abschluss der Altersteilzeit Arbeitslosengeld beanspruchen. Er ist deshalb zu diesem Zeitpunkt nicht gehalten, Altersrente zu beanspruchen. Seiner Rechtsnatur nach ist das Altersteilzeitverhältnis ein vollwertiges Arbeitsverhältnis (vgl BSG vom 26.6.2007 - B 1 KR 34/06 R = BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4).

3. Es entsprach zwar dem erklärten Willen des historischen Gesetzgebers des Altersteilzeitgesetzes vom 23.7.1996 (BGBl I 1996, 1078) (juris: AltTZG 1996), spätestens mit dem Ausscheiden aus der Aktivphase einen Arbeitsplatz frei zu machen, wie dies die Pflicht, die freiwerdende Stelle mit einem bisher Arbeitslosen zu besetzen, zeigt. Dies ändert aber nichts daran, dass der Versicherte keineswegs zwingend nahtlos zum Rentner werden muss. Sein Arbeitgeber kann in der Passivphase der Altersteilzeit zwar keine Arbeitsleistung mehr von ihm erwarten, es ist ihm aber keinesfalls verwehrt, im Anschluss daran - oder auch unter Aufgabe der Ansprüche nach dem dem AltTZG 1996, vgl § 5 AltTZG 1996 - erneut ins Erwerbsleben einzutreten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.06.2010; Aktenzeichen B 1 KR 33/09 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von 4.356.20 f für von ihr erbrachte Leistungen der medizinischen Rehabilitation.

Die 1945 geborene Versicherte H. D. (Versicherte -V) ist bei der Klägerin renten- und bei der Beklagten krankenversichert. Sie befand sich seit März 2006 in der passiven Phase (Freistellungsphase) eines Altersteilzeitmodells. Sie beantragte am 8. Mai 2007 bei der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Diese reichte den Antrag am 21. Mai 2007 (Eingangsdatum) an die Klägerin weiter.

Die Klägerin lehnte den Antrag zunächst mit Bescheid vom 29. Mai 2007 ab. Dagegen legte die Versicherte Widerspruch ein, welchen den die sie behandelnde Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie begründete. Die Klägerin half dem Widerspruch mit Bescheid vom 9. Juli 2007 ab und bewilligte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, welche in der Zeit vom 3. Oktober 2007 bis zum 14. November 2007 in der P-R-Klinik in B. G durchgeführt wurde. Der Klägerin entstanden hierdurch Kosten in Höhe von 4.356,20 €. Dieser Betrag steht der Höhe nach außer Streit.

Die Klägerin macht mit Schreiben vom 9. Juli 2007 gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) geltend. Die Versicherte befinde sich in der Freistellungsphase, somit bestehe ein Ausschlussgrund nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Mit Schreiben vom 29. Januar 2008 meldete sie den Betrag von 4.356,20 € bei der Beklagten an.

Sie hat am 23. Mai 2008 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Sie hätte als zweitangegangener Rehabilitationsträger den Antrag nicht an die zuständige Beklagte weiterleiten dürfen. Sie habe jedoch einen Erstattungsanspruch gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX, weil die V, die sich in der passiven Phase der Altersteilzeit befunden habe, bereits nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei. Die Rehabilitationsziele des § 9 Abs. 1 SGB VI hätten deshalb nicht mehr erreicht werden können. Ob auch § 12 SGB VI, insbesondere § 12 Abs. 1 Nr. 4 a SGB VI einen Anspruch der V auf Reha-Leistungen durch sie als Rentenversicherungsträger entgegengestanden hätte könne dahin gestellt bleiben (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 4. Dezember 2006 - B 4 R 19/06 R-). Die nach § 8 Abs. 3 Altersteilzeitgesetz (AltZG) bestehende rechtliche Möglichkeit, an die Freistellungsphase der Altersteilzeit eine weitere Arbeitsphase anschließen zu lassen, sei unerheblich, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die beantragten Reha-Leistungen keine konkreten Anhaltspunkte im Einzelfall vorlägen, dass der Versicherte beabsichtige diese Option auch tatsächlich wählen zu wollen. Ohne eine solche entsprechende Willensbetätigung gelte der Grundsatz des § 1 AltZG, wonach die Altersteilzeitarbeit älteren Arbeitnehmern einen gleiche Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglichen ...

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