Entscheidungsstichwort (Thema)
Rundfunkgebühren-/-beitragsbefreiung wegen Behinderung
Orientierungssatz
Eine Befreiung von den Rundfunkgebühren bzw. vom Rundfunkbeitrag kommt nur in Betracht, wenn der behinderte Mensch ständig daran gehindert ist, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. September 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens “RF„ ab dem 23. Oktober 2008 (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bzw. ab dem 1. Januar 2013 Ermäßigung von der Rundfunkbeitragspflicht).
Die 1942 geborene Klägerin ist verwitwet und Rentenbezieherin.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. Juni 2001 stellte der Beklagte zugunsten der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen “G„ (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) fest.
Auf den Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 23. Oktober 2008, mit dem sie auch die Zuerkennung der Merkzeichen “B„ (Notwendigkeit ständiger Begleitung), “T„ (Berechtigung der Teilnahme am Telebusfahrdienst) und “RF„ geltend machte, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 30. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2009 einen GdB von 90 aufgrund folgender Behinderungen fest:
Fußheber- und Fußsenkerschwäche, Steifigkeit und Verschleiß im Bereich des rechten Sprungsgelenkes, Zehenverkrüppelung bei Zustand nach Klumpfußoperation rechts, Zustand nach Außenbandriss im Bereich des linken Sprunggelenkes und schmerzhafte Bewegungseinschränkung (Einzel-GdB 50)
Insulinpflichtiger Diabetes Mellitus, Hypercholesterinämie, Adipositas (Einzel-GdB 40)
Beeinträchtigung der Hirnfunktion, Polyneuropathie, Friedreichsche Ataxie (Einzel-GdB 40)
Herzleistungsminderung bei koronarer Herzerkrankung (Durchblutungsstörungen des Herzens) mit Bypass, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung (Einzel-GdB 30)
Verschleißerscheinungen beider Hüftgelenke bei Fehlanlage mit linksseitigen schmerzhaften Bewegungseinschränkungen (Einzel-GdB 20)
Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit cervicalen Reizerscheinungen (Einzel-GdB 20)
Karpaltunnelsyndrom beidseits, rechts Zustand nach Operation (Einzel-GdB 10).
Zudem anerkannte der Beklagte neben dem Merkzeichen “G„ das Merkzeichen “B„; das Merkzeichen “RF„ lehnte er indes ab.
Die daraufhin erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 13. September 2010 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Nach der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages würden behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend 80 vom Hundert beträgt und die wegen ihres Leiden an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können, von der Gebührenpflicht befreit. In Anwendung der weiterhin maßgeblichen Nr. 33 der Anhaltspunkte für die Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) in der Fassung der Ausgabe 2005 sei der Klägerin die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nicht unmöglich. Denn trotz ihrer erheblichen Gehbehinderung könne die Klägerin auch in Begleitung - das Merkzeichen “B„ läge vor - und eventuell unter Zuhilfenahme eines Rollstuhls an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen.
Gegen den ihr am 20. September 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11. Oktober 2010 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt.
Der Senat hat die Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. F mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In ihrem Gutachten vom 6. September 2012 gelangt die Sachverständige nach körperlicher Untersuchung der Klägerin vom 4. September 2012 unter Beibehaltung des GdB von 90 zu der Einschätzung, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen “RF„ nicht gegeben seien. Die Klägerin könne mit einem Rollator und mit Hilfe einer Begleitperson öffentliche Veranstaltungen besuchen.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Sachverständigen nicht gefolgt werden könne. Insbesondere verfüge diese über keine hinreichenden Erfahrungen hinsichtlich der bei ihr bestehenden Friedreich-Ataxie.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. September 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2009 zu verpflichten, bei ihr ab dem 23. Oktober 2008 das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens “RF„ festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält seine Entscheidung für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltun...