Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Vermögenserwerb während Leistungsbezug. Sicherheitsleistung. Asylbewerberleistung. Anordnung für vergangene Leistungszeiträume. Rücknahme der Leistungsbewilligung

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 7a AsylbLG berechtigt Leistungsträger nicht, Sicherheit für in der Vergangenheit liegende Leistungszeiträume zu verlangen.

2. Das Recht auf Verlangen einer Sicherheit besteht jedenfalls dann nicht mehr, wenn Leistungen nach dem AsylbLG ohne Anrechnung von Vermögen vorbehaltlos gewährt worden sind, bis die Leistungsberechtigung nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 AsylbLG endete.

 

Normenkette

AsylbLG § 7 Abs. 1 S. 1, §§ 7a, 9 Abs. 4 S. 1 Nr. 1

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist das Verlangen einer Sicherheit für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Der Kläger ist 1971 geboren worden. Sein derzeitiger Aufenthaltsort ist unbekannt. Er reiste im Mai 2007 zusammen mit seiner 1979 geborenen Ehefrau und den beiden (im Januar und Dezember) 1999 geborenen Kindern in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten die Gewährung von Asyl. Der Kläger und seine Ehefrau gaben bei ihrer Einreise an, armenische Staatsangehörige zu sein. Jedenfalls ab Juni 2007 gewährte der Beklagte dem Kläger und seiner Familie Leistungen nach dem AsylbLG.

Nachdem sie bis dahin in einem Wohnheim untergebracht waren, bezogen der Kläger und seine Familie im August 2007 eine von ihm mit Zustimmung des Beklagten angemietete Wohnung. Ab 1. August 2007 gewährte der Beklagte dem Kläger und seiner Familie darauf hin laufende Geldleistungen nach dem AsylbLG. Die nach dem Mietvertrag geschuldete Miete einschließlich Heizkosten wurde direkt an den Vermieter überwiesen, die Abschlagszahlungen für Elektroenergie direkt an den Stromversorger. Außerdem bewilligte der Beklagte einmalige Beihilfen zur Erstausstattung der Wohnung teils als Barbeihilfe (744,-- €), teils als Kostenübernahmescheine (Wert 1.473,-- €). Die bewilligten Barbeträge für den Lebensunterhalt der Familie lagen regelmäßig zwischen 700,-- und 800,-- € monatlich. Für den Zeitraum 28. Januar 2008 bis 9. März 2008 wurden Barleistungen in Höhe von 1.139,46 € bewilligt und am 28. Januar 2008 per Scheck an den Kläger ausgezahlt, für den Zeitraum 10. März bis 13. April 2008 in Höhe von 887,49 € bewilligt und am 11. März 2008 per Scheck ausgezahlt sowie für den Zeitraum 14. April bis 19. Mai 2008 936,05 € bewilligt und am 14. April 2008 per Scheck ausgezahlt. Am 11. März 2008 erklärte der Kläger außerdem gegenüber dem Beklagten, dass er in der Zeit vom 18. Dezember 2007 bis zum 11. März 2008 keine Einkünfte gehabt habe und dass in seinen sonstigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen keine Veränderungen eingetreten seien.

Am 4. Februar 2008 war unterdessen die Wohnung des Klägers auf richterliche Anordnung durch die Polizei durchsucht worden. Neben diversen Gegenständen war ein Barbetrag von 2.800,-- € (Stückelung 5 x 200, 5 x 100, 17 x 50, 15 x 20, 15 x 10 €) auf der Grundlage des § 38 des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG) sichergestellt worden. Von der Sicherstellung wurde der Beklagte am 5. Mai 2008 in Kenntnis gesetzt.

Durch Bescheid vom 6. Mai 2008 verfügte der Beklagte gegenüber dem Kläger, dass er für die vom 4. Februar bis 30. April 2008 gewährten Leistungen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.800,-- € nach § 7a AsylbLG beanspruche und im Wege des unmittelbaren Zwanges gemäß §§ 12 und 6 Abs. 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) anordne. Die von der Polizei festgestellten Barmittel seien als Vermögen für den Lebensunterhalt aufzubrauchen. Die Anordnung des unmittelbaren Zwanges rechtfertige sich dadurch, dass der Kläger entgegen den gesetzlichen Vorschriften das Vermögen nicht aufgebraucht habe, bevor er Leistungen beantragt habe, und dass er den Besitz von Vermögen verschwiegen habe. Das Interesse des Klägers, keine Sicherheit leisten zu müssen, müsse hinter dem öffentlichen Interesse zurückstehen. Zugleich werde “die sofortige Vollziehung dieses Bescheides gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)„ aus den vorgenannten Gründen angeordnet.

Der Polizeipräsident in Berlin überwies dem Beklagten darauf hin einen Betrag von 2.800,-- €. Der Beklagte bewilligte dem Kläger und seiner Familie auch danach ohne Unterbrechung weiter Leistungen.

Mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom “5.„ (richtig: 6.) Mai 2008 machte der Kläger geltend, dass es sich bei dem beschlagnahmten Betrag um die Summe aus der Sozialhilfe für seine Familie im Monat Februar 2008, entsprechend 1.139,46 €, und einem Betrag von 1.600,-- € handele, der seinem ehemaligen Wohnungsnachbarn G T gehöre. Der Nachbar habe ihm das Geld zur k...

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