Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. überlassenes Personal in der Filmbranche. Arbeitnehmerüberlassung. drittbezogener Personaleinsatz. gemischter Miet- und Dienstverschaffungsvertrag. aufgesplittetes Weisungsrecht. Rahmenvereinbarung. Eingliederung in fremde Betriebsorganisation. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Verwaltungsverfahren. Erklärungspflicht von Tatsachen. Wahrheitspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bedarf eine Rahmenvereinbarung, die weder den Auftragnehmer unmittelbar zum Tätigwerden noch den Auftraggeber zum Anbieten von Aufträgen verpflichtet, noch der Konkretisierung durch die Vereinbarung von (Einzel-)Aufträgen, ist für die Statusprüfung nur auf die Umstände nach Annahme des jeweiligen Auftrags abzustellen (vgl BSG vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R = BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25 und vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R).

2. Wer als Auftragnehmer zu Teamarbeit, dh vielfältiger Rücksichtnahme und Abstimmung, verpflichtet ist, ist typischerweise in eine fremde Betriebsorganisation eingegliedert.

3. Weil auch das Gesetz (§ 8 Abs 2 und 3 SGB IV) davon ausgeht, dass ein Erwerbstätiger gleichzeitig nicht nur mehrere Beschäftigungen und mehrere selbständige Tätigkeiten ausüben kann, sondern auch neben einer oder mehreren Beschäftigungen einer oder mehreren selbständigen Tätigkeiten nachgehen kann, ist ein Tätigwerden für mehrere Auftrag-/Arbeitgeber im Rahmen der Statusprüfung ohne Belang.

4. Überlässt ein Unternehmen Fahrzeuge mit Fahrer an ein anderes Unternehmen (hier: Filmproduktionsgesellschaft), liegt ein gemischter Miet- und Dienstverschaffungsvertrag vor, der nicht in den Geltungsbereich des AÜG fällt.

5. Weil jeder, der durch seinen Antrag ein Verwaltungsverfahren in Gang setzt, der Pflicht zu wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben unterliegt, bedarf es einer nachvollziehbaren Begründung, wenn ein Antragsteller im Laufe des Verfahrens früheren Angaben ausdrücklich widerspricht.

6. Zur Beschäftigung von überlassenem Personal in der Filmbranche.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 30. Mai 2013 und der Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2012 geändert. Die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung aufgrund seiner Beschäftigung bei der Klägerin wird für die Zeiten von

2. Juli bis 8. September 2007,

10. September bis 11. November 2007,

13. bis 24. November 2007,

5. Dezember 2007 bis 5. Juni 2008,

9. Juni bis 26. Juli 2008,

28. Juli bis 1. August 2008,

4. August bis 24. Oktober 2008,

28. Oktober 2008 bis 15. Februar 2009,

3. März bis 4. April 2009,

6. April bis 21. Juni 2009,

23. Juni bis 15. September 2009,

8. bis 25. Oktober 2009,

28. Oktober bis 11. Dezember 2009,

16. Dezember 2009 bis 1. April 2010,

16. April bis 1. Mai 2010,

6. bis 22. Mai 2010,

24. bis 25. Mai 2010,

23. Juni bis 28. Juli 2010,

9. August bis 24. Oktober 2010

festgestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 02. April 2007 bis 11. Dezember 2010 in seiner Tätigkeit für die Klägerin der Versicherungspflicht in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterlag.

Die klagende GmbH “verkauft„ nach eigenen Angaben Unterstützungen bei Filmproduktionen und hält zu diesem Zweck verschiedene Fahrzeuge (Zugfahrzeuge und Sattelauflieger ≪engl.: Trailer≫, wie z.B. Aufenthalts- und Technikmobile, Kostüm- oder Make Up-Fahrzeuge sowie Fahrzeuge für die Ton-, Licht- und Kameraabteilung) vor, die an den jeweiligen Drehorten zum Einsatz kommen und die ihr von der englischen Muttergesellschaft auf vertraglicher Grundlage bereitgestellt werden. Ein Filmservice im Auftrag eines Kunden umfasst - so die klägerischen Angaben weiter - neben der Bereitstellung des vom Kunden angeforderten Fahrzeugs die Betreuung der Mitglieder des Drehteams des Kunden direkt am Drehort (insbesondere Fachberatung/Logistik entsprechend der speziellen Fachkenntnisse des Auftragnehmers), die Sicherstellung der vom Kunden angeforderten Ausstattung der angesprochenen Fahrzeuge sowie notwendiger Strom-, Wasser- und Elektroanschlüsse, die Besorgung von Verbrauchsmaterialien und Durchführung von Botengängen für die Kunden, den Sicherheitsdienst und Übernahme von kleineren Komparsenrollen.

Das Zustandekommen der Verträge gestaltet sich nach der Darstellung der Klägerin wie folgt: Eine Filmproduktionsgesellschaft fragt bei ihr an, ob ein oder mehrere Fahrzeuge für einen bestimmten Zeitraum und zu welchen Preisbedingungen zur Verfügung stünden. Häufig wird zugleich wegen eines sogenannten Operator, d.h. einer Fachkraft, die den Trailer an das Filmset liefert und dann in Abstimmung mit der Filmproduktionsg...

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